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Panikattacken

 

Inhaltsverzeichnis

 

Panik + Attacke macht Panikattacke. Was für ein Angriff auf die psychische und auch auf die körperliche Stabilität, der dazu noch von innen kommt! Etwas passiert mit mir und ich weiß nicht, was es ist. Wie eine Vereinnahmung durch Angst oder durch ein äußerst seltsames Körperempfinden, das mit nichts anderem zu vergleichen ist. Was ist das? Ein Geist aus einer anderen Welt oder ein Tor dahin? Eine alte Erinnerung? Oder ganz banal eine körperliche Dysfunktion?

Die Lehrbuch-Variante und meine Erfahrung

In psychotherapeutischen Lehrbüchern werden die Panikattacken sehr nüchtern anhand von meist körperlichen Symptomen beschrieben. Diese Beschreibung hat mich immer etwas überrascht, sie fühlte sich irgendwie nichtssagend an. Zum Ende meiner Sportlerkarriere hin hatte ich selbst Panikattacken, aber ich hätte sie nach der Lehrbuchbeschreibung nie so bezeichnet, weil sie eben diese besondere Erlebnisqualität hatten. Natürlich habe ich damals auch versucht anhand von Checklisten zu überprüfen, was ich nun hatte, aber gut geklappt hat es nicht. Es stellte sich kein Gefühl von Stimmigkeit – „Ja, so ist es. Genau so, wie es beschrieben wird, das habe ich“ – ein.

Ich erinnere mich, dass damals einfach viele Sachen als Auslöser zusammenkamen:

  • Ich stand kurz vor dem Abschluss meines Studiums. Die Frage nach dem Beruf, nach dem Geldverdienen schwebte im Raum.

  • Ich hatte schon länger etwas den Anschluss an die Skaterszene verloren und war wohl vom vielen Reisen und dem Wettkampfgeschehen etwas überfordert. Dass ich keine Austauschpartner und keinen Trainer vor Ort hatte, konnte ich zwar einige Jahre lang kompensieren, kam aber dann doch an meine Grenzen.

  • Im Nachhinein betrachtet kam auch eine gewisse Unbewusstheit meinen eigenen Bedürfnissen gegenüber dazu: Was und wer tut mir gut und was und wer nicht? Damals machte ich mir keine Gedanken darüber, wunderte mich aber sehr über die Symptome.

  • Ich holte mir kurz vor einem Wettkampf eine Lebensmittelvergiftung. Auch hier achtete ich nicht darauf, was mir gut tat, und aß etwas Abgelaufenes. Das schwächte mich. Hinzu kam das Lampenfieber vorm Turnier. Ohne meinen Zustand zu hinterfragen, trank ich am Abend des Anreisetages zum Wettkampf auch noch Wein, was mich noch labiler machte und voilà: die erste mit viel Mühe und Aufwand produzierte Panikattacke!

Später hatte ich Kontakt zu einer Psychologin. Per Mail. Sie schrieb mir, dass es sich dabei um somatisierte Angst handelt. Recht hatte sie, nur wusste ich damals nichts mit dieser Aussage anzufangen. Heutzutage bin ich schlauer. Aber dazu später. Damals bestand mein Umgang damit, die Zustände zu erfassen und zu beschreiben, und zu schauen, was dagegen hilft. Es waren ganz banale Dinge: kein Alkohol, möglichst keine Reisen und keine auswärtigen Übernachtungen, mich langsam wieder an den Alltag herantasten. Es dauerte ungefähr ein halbes Jahr, bis ich meine normale Leistungsfähigkeit erreicht habe. Das Problem bzw. die Kombination von Alkohol und auswärtiger Übernachtung, die eine Attacke auslösten, bestand aber noch eine Zeit lang. Weitere Gedanken machte ich mir darüber nicht, jedenfalls nicht solange ich in Kontakt mit psychologischen und psychotherapeutischen Inhalten kam.

Der körperpsychotherapeutische Ansatz

Somatisierte Angst – was zur Hölle ist das? Somatisiert heißt im Körper gespeichert. Angst ist eine Körperreaktion auf eine Bedrohungssituation. Es gab also eine Bedrohungssituation in meinem Leben, an die ich mich nicht bewusst erinnern konnte, die aber durch eine Verkettung von äußeren Umständen, also durch eine Assoziationskette, ausgelöst wurde. Warum konnte ich mich nicht erinnern? Nun, das episodische Gedächtnis entwickelt sich erst etwas später im frühen Leben. So ab 1,5-2. Aus welcher Zeit stammt deine frühste Erinnerung an eine Situation? Meine aus dem Kindergarten. Da war ich drei oder vier. Davor gibt es noch ein paar Bruchstücke. Die könnten aber auch aus Fotos stammen. Das war's aber auch schon. Und trotzdem ist auch alles davor als Erinnerung gespeichert, nur eben nicht in episodischer Form. So ähnlich wie Sprechen oder Laufen. Das sind auch Körpererinnerungen, die wir perfektioniert haben. Oder Tippen. Meine Finger wissen ganz genau, wo welcher Buchstabe ist. Wenn ich tippe, lasse ich los und lasse die Finger machen. Cool, nicht? Im Falle von Panikattacken ist es ein ähnliches Prinzip, in dem Moment aber überhaupt nicht cool. Etwas löst die Erinnerung aus, die Bedrohung ist wieder da, als wäre sie nie weggewesen, und die Erinnerung nimmt ihren Körper- und Angst-Raum ein. Bis es irgendwann vorbei ist. Wie eine Welle. Ich hatte vor allem dieses schreckliche Hitzegefühl, musste alle Fenster aufreißen. Ähnlich wie eine Hitzewallung. Dann die Übelkeit dazu. Und das Zittern am ganzen Körper. Besonders aber in den Beinen. Später las ich in schlauen Büchern, dass unser Körper in einer Bedrohungssituation auch alle nicht ausgeführten Reflexe (Angriff oder Weglaufen) speichert. Also waren alle Weglaufimpulse noch da und wurden beim Auslösen der Erinnerung wieder aktiv. Da ich nicht wusste, was mit mir passiert, konnte ich es auch nie zu Ende bringen und in Sicherheit flüchten. Dazu kamen seltsame Fremdheitsgefühle (daher wohl auch die Hotelzimmer, die das sehr gern auslösten... Ein fremdes Bett... Ein fremdes Zimmer).

Die Symbol-Ebene

Es gibt noch eine symbolische Interpretation von Panikattacken, die ich interessant finde. Ich kenne sie von Rüdiger Dahlke. Er verweist auf die Bedeutung bzw. die Herkunft des Wortes. Eines meiner Fächer an der Uni war Germanistik, daher ist mir diese Vorgehensweise sehr vertraut. Pan – der alte Hirtengott, halb Mensch, halb Ziegenbock, der im Wald lebt und Menschen und Tiere in Panik versetzen kann, wenn man ihn bei seiner Mittagsruhe stört. Dahlke macht auf seine gespaltene Natur aufmerksam – er hat sowohl menschliche als auch tierische Anteile. Und der zivilisierte Mensch hat richtig Angst, also Panik, entwickelt, wenn es um seine panisch-tierischen Anteile, Ur-Instinkte und Ur-Kräfte geht. Die können nämlich gewaltig sein und einen ziemlichen Kontrollverlust bedeuten! Und wer weiß, was man dann tut? Über Frauen oder Männer herfallen? Amok laufen? Einen Tisch aus dem Fenster werfen? Jemanden vernichten? Und so kann sich tatsächlich hinter einer Angst-Attacke auch eine Wut-Attacke oder auch eine Kraft-Attacke verstecken. Statt seine Kraft voll und ganz anzunehmen und auszuleben, versucht man sie zu unterdrücken und lebt sie in Form einer körperlichen Panikattacke aus.

 Das Ende meiner Panikattacken und ihre tiefenpsychologische Ursache

Meine Panikattacken gingen mit der Zeit weg. Ich hatte deutlich mehr Ressourcen, psychische wie physische. Irgendwann war ich in einer anderen Stadt zu Besuch und konnte da in Ruhe bei einem Freund übernachten. Während meiner therapeutischen Ausbildung kam aber die bewusste Erinnerung an die Zeit mit den Attacken. Ich habe zu dem Zeitpunkt auch einiges in Eigenregie im Wohnzimmer ausprobiert und bearbeitet und so wollte ich mir das Thema noch einmal anschauen. Die Körpererinnerung war im Hier und Jetzt nicht mehr so aktiv. Ich begab mich in die Vergangenheit und rief das Körpergedächtnis ab, was sich auf jeden Fall gelohnt hat, denn ganz bereinigt war es zu dem Zeitpunkt noch nicht. Die Körpererinnerung der Bedrohungssituation ließ sich auf mein Lebensalter von 0 Jahre zurückdatieren, also als neugeborenes Baby. Der Grund für die gespeicherte Bedrohung war die fehlende Verbindung zu einer sicheren Basis, also zur Mutter, die auch die Gefühle von Einsamkeit, Verlassenheit und Trauer auslösten. Ein Bindungstrauma, das über 30 Jahre zurücklag und mich eine Zeitlang sehr intensiv begleitete, verlor damit auch den Rest seiner Wirkung. Nicht, dass es sich ungeschehen machen lässt, das nicht. Aber es kann abgeschlossen werden und der Vergangenheit angehören. Und ich kann beruhigt auch in "fremden" Betten schlafen.

Panikattacken als Tor zu...

Was ist mit dem Tor zu einer anderen Welt? Ist da etwas dran oder zeigt sich hier eine reine körperliche Dysfunktion? Ich weiß es nicht. Tore sind mir natürlich auch lieber, wenn ich sie mit meinen Sinnen in meinem Tempo erkunden und begreifen kann. Aber das ist selbstverständlich nicht immer der Fall und das Leben winkt fleißig, wenn man das ein oder andere übersieht. Wenn man es weiterhin fleißig übersieht, kommt dann der Wink mit dem Zaunpfahl. Insofern sind Körperattacken auch Einladungen und manchmal wohl auch ein notwendiger Schritt in der eigenen Entwicklung. Wer sie erlebt hat, wird sie nie wieder vergessen, auch wenn die Angst, dass sie wieder auftauchen, nicht mehr da ist. Was hat das zu bedeuten? Ist das ein besonderer Zugang zur Welt? Ich weiß es noch nicht ganz genau und werde es weiter erforschen.

Nachtrag vom 7.2.2021

Mittlerweile bin ich mir sicher, dass Menschen, die Panikattacken erleiden, über besondere Fähigkeiten verfügen. Zum Zeitpunkt, zu dem sie Panikattacken erleiden, sind diese Fähigkeiten, z. B. ein sehr hoher Grad an Sensibilität und besondere Wahrnehmungsfähigkeiten, mehr Fluch als Segen. Das lässt sich ändern. Durch die Bereinigung der psychischen Altlasten lassen sich diese Fähigkeiten bewusst annehmen. Daraus ergibt sich folgerichtig eine Art "Pflicht", diese Fähigkeiten auch zu nutzen, z. B. im Beruflichen-

Nachtrag vom 20.03.2023

Nervosität, Ängste und Panikattacken entstehen dort, wo der Anschluss an die Vaterenergie unzureichend ist. Die väterliche Energie gibt den im Leben notwendigen schützenden Rahmen. Fehlt dieser Rahmen, muss der Mensch kompensieren, z. B. durch Leistung oder durch sich aufhalten in vertrauten Kontexten, und so seine Ängste wegdrücken. Irgendwann holen sie ihn, z. B. als Panikattacke, wieder ein. Deswegen ist es für Angstbetroffene sehr wichtig, die eigene Beziehung zum Vater (weiter) zu klären und heilen.

 

Fragen zum Nachforschen und Ergründen

  • Wann habe ich meine erste Panikattacke erlebt? Was waren die Umstände? Rückwirkend betrachtet: Was hat lang-, mittel- und kurzfristig dazu geführt?
  • Habe ich eine Diagnose erhalten? Z. B. Panikstörung? Identifiziere ich mich damit?
  • Kann ich mir vorstellen, dass hinter den Panikattacken etwas sehr Tiefgehendes und Grundlegendes steckt? Oder wehre ich diese Erkenntnis vehement ab?
  • Habe ich Angst, dass in der Therapie Dinge ans Licht befördert werden, für die ich vielleicht noch nicht bereit bin? Welche Gefühle bereitet mir das? Habe ich Angst davor, dass die Therapie mein Leben und meine Beziehungen auf den Kopf stellen könnte? Nehme ich dafür lieber die Panikattacken in Kauf? Oder vertraue ich lieber auf eine Symptombehandlung? Also, eine Behandlung, die die Symptome zum Verschwinden bringt, aber nicht an die Ursache geht?
  • Wie ist mein Verhältnis zu meinen Trieben, Ur-Kräften und Instinkten? Bin ich mit dem Hirtengott Pan ausgesöhnt? Oder macht mir das Animalische Angst? Oder ekele ich mich sogar davor?
  • Wie gehe ich mit meinen Panikattacken um? Wie werde ich wieder Herr der Lage? Oder lasse ich es in dem Moment einfach geschehen und vertraue darauf, dass es irgendwann vorbei ist?
  • Bin ich eher ein Kontrollmensch? Versuche ich mein Leben so zu gestalten, dass ich möglichst weiß, was passieren wird und was mich erwartet? Wie gehe ich mit Überraschungen, Unerwartetem, Fremdem usw. um?
  • Wo liegen meine Belastungsgrenzen? Kenne ich sie? Weiß ich überhaupt, wer und was mir gut tut und wer und was nicht? Oder ist es an der Zeit, mich damit zu beschäftigen und für klare Verhältnisse zu sorgen?
  • Kann ich mir vorstellen, dass Panikattacken mir ein besonderes Tor eröffnen? Ein Tor, das mir eine Weiterentwicklung meiner Fähigkeiten und Talente, der Feinheit meiner Wahrnehmung und eine Verbundenheit mit Natur und Universum bringen kann, sofern ich mich entschließe, dadurch zu gehen? Oder lehne ich dieses Angebot vehement ab, indem ich es z. B. als unwissenschaftlich, blödsinnig, esoterisch usw. bezeichne? Schaue ich lieber mit der Pathogenese-Brille (der der Krankheit) auf meine Panikattacken und will sie einfach nur loswerden?

 

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