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Mit der eigenen Sensitivität leben

 

Inhaltsverzeichnis

 

In meinen Artikeln zur Sensibilität und Sensitivität lag bislang das Augenmerk auf den Symptomen und der Annahme der eigenen Sensitivität, u. a. auch als Lebensaufgabe. Dies ist auch der erste wichtige Schritt. Ist er vollzogen, meldet sich nach einiger Zeit der zweite, der ebenfalls auf Erfüllung drängt. Die Sensibilität und die Sensitivität wollen nicht nur innerlich angenommen und gelebt, sondern auch ausgedrückt und ausgelebt werden.

„Sensibelchen“

Ist "Sensibelchen" ein Schimpfwort oder eine Auszeichnung? Oder einfach beides, so wie jedes Symptom eine Doppelnatur hat. Nicht überraschend ist, dass offensichtlich sensible Menschen typische Symptome entwickeln, die ihre Sensibilität körperlich ausdrücken: Hautausschläge, Allergien, Schwächeanfälle und Ähnliches. Hier weiß der Mensch, dass er innerlich sensibel ist, trägt aber in sich Blockaden, die Sensibilität voll in seine Sprache, körperlich und verbal, und in seine Ausstrahlung einfließen lassen.

„Harte Schale, weicher Kern“

Etwas anders und im Kerne sehr ähnlich verhält es sich mit dem Thema Ausdruck und Ausleben der Sensitivität bei Menschen, die äußerlich robust wirken, innerlich aber butterweich sind. Zu der Sorte gehör(t)e ich auch. Hier ist die Diskrepanz zwischen der äußeren Erscheinung und dem inneren Erleben noch größer als beim „Sensibelchen“. Bei diesem Typ ist es im Extremfall so, dass er seine Sensitivität noch gar nicht angenommen hat und sowohl innerlich als auch äußerlich hart empfindet und lebt. Das ist allerdings selten der Fall. Meist täuscht die äußere Erscheinungsform über die Vorgänge im Inneren. Der Mensch empfindet tief, zart und feinsinnig, was aber nicht oder nur zum Teil in seine Ausstrahlung, z. B. Stimme, Körperform, Körpersprache, Wortwahl, Stimmfärbung usw. gelangt. Bei diesem Typ ist der Konflikt zwischen Empfinden und Ausleben also noch stärker als bei dem „Sensibelchen“-Typ. Die Symptome (Hautausschläge, Allergien, Panikattacken etc.) können dabei dem anderen Typ sehr ähnlich sein.

Gemeinsam ist beiden Typen also, dass sie eine innere Blockade errichtet haben, die es ihnen verbietet, ihre Sensitivität voll und ganz in ihre Ausstrahlung fließen zu lassen. Als „Harte Schale, weicher Kern“-Typ hatte ich mein Ringen darum folgendermaßen formuliert: „Ich will es ausdrücken, aber ich weiß nicht wie.“ Nun, die Reste der harten Schale müssen weg, damit das Weiche und Zarte durchschimmern darf. Sonst übernimmt es ein Körpersymptom. Bei mir war es ein Zahn, bei dem etwas anfing, durchzuschimmern. Der physiologische Grund für die durchschimmernde Stelle ist die Erweichung des Zahnschmelzes durch Säuren. Darin ist auch die Botschaft enthalten: Erweichung ist angesagt, und zwar bei den Grundfesten der Persönlichkeit (Zähne sind ja das Festeste, was wir körperlich haben), allerdings nicht auf der körperlichen, sondern auf der psychischen und der geistigen Ebene. Das Säurethema könnte auf ein Sauer-Sein hinweisen. Außerdem fehlt da das handelnde Element, das Yang (Zähne = Yang). Sprich, es geht um das Yang des Yin. Das Weiche will sich auch ausdrücken.

Fehler: Die eigene Sensitivität mit dem Schmerzkörper verwechseln

Der Begriff Schmerzkörper stammt von Eckhart Tolle. Damit beschreibt er die Ansammlung aller unverarbeiteten Leiderfahrungen. Es ist wie eine dunkle Wolke, die jemand mit sich herumträgt. Manchen Menschen sieht man sie an, manchen nicht, anderen wiederum nur manchmal. Viele bemühen sich (unbewusst) die dunkle Wolke zu verstecken, vor anderen, aber natürlich vor allem vor sich selbst. Wer in Kontakt mit dem Schmerzkörper kommt, wird auf einmal überempfindlich. Tränen hören nicht auf zu fließen, die Stimmung ist anders, andere Symptome machen sich breit, wie z. B. die Schlaflosigkeit oder die Gedanken über die eigene Wertlosigkeit. Hier verbirgt sich die Gefahr den Schmerzkörper mit der Sensitivität zu verwechseln. Besonders in der Projektion. Viele Menschen, Frauen betrifft es wohl häufiger als Männer, werfen ihrem Beziehungspartner vor, nicht sensibel zu sein, während sie sich für sensibel halten. Dabei sind sie mit ihrem Schmerzkörper identifiziert. Wären sie in dem Moment wirklich sensibel, würden sie merken, dass auch der andere in Kontakt mit dem Schmerzkörper ist, auch wenn es äußerlich nicht so aussieht. Oder, dass der andere sich schützen muss. Sie würden dann kraft ihrer Sensibilität dem anderen Liebe und Mitgefühl spenden können.

Das Verwechseln des Schmerzkörpers mit der Sensitivität kann sogar in eine Abhängigkeit, ja sogar ein Suchtverhalten führen. Man wird süchtig nach Schmerz, nach Tränen, nach "Verarbeitung", verwechselt es mit der eigenen Sensitivität. Schließlich bekommt man dadurch eine Ersatzlebendigkeit und vielleicht sogar einen Lebenssinn. Man schafft sich unbewusst viele Schmerzkörpersymptome, mit denen man sich dann jahrelang beschäftigen kann. Kaum hat man eines entschlüsselt, taucht schon das nächste auf. Auch für den Beziehungspartner ist dieser Zustand sehr anstrengend, auch wenn er ihn natürlich vor einer wahren Auseinandersetzung mit dem Schmerzkörper, dem eigenen und dem des Partners, schützt. An dieser Stelle hilft nur das Verstehen, dass das Erleben des Schmerzkörpers zwar nicht die Sensitivität als solche ist, sondern nur ein Zugang dazu. Natürlich sind Menschen, die sich durch z. B. Rationalität vor ihrem Schmerzkörper schützen, noch weiter von ihrer Sensitivität entfernt als solche, die mit dem Schmerzkörper in direktem Kontakt stehen. Der Vorwurf der Nicht-Sensibilität ist trotzdem unangebracht, denn man selbst ist noch im Schmerzkörper und nicht in der wahren Sensitivität. Wäre man endlich in der Sensitivität, würde sich auch der Vorwurf erübrigen, denn man könnte dann dem anderen mit Offenheit, Liebe und Mitgefühl begegnen.

Auf die innere Stimme hören!

Für jeden hochsensitiven Menschen ist es überlebensnotwendig, mit der eigenen inneren Stimme und mit seinen Geistführern in Kontakt zu sein. Daher ist eine der wichtigsten ersten Aufgaben, da den verlorenen Kontakt wiederherzustellen. So geschah das auch auf der Seelenbilderreise einer Klientin, die sich sehnlichst Kontakt und Austausch im Außen wünschte, ich ihr aber vorschlug, den Austauschpartner in Ihrem Inneren zu suchen. Sie fand ihn: eine alte Weise mit einer riesigen Nase und in Lumpen gekleidet, die alte Wissende, die sie natürlich nicht mit netten Worten verschonen wird, sondern gleich mit der Tür ins Haus fällt. Was für ein Dienst am Menschen, der sein tiefes Bedürfnis nach Wahrheit und auch nach Geführt-Werden erfüllt.

 

Fragen zum Nachforschen und Ergründen

  • Welcher Typ bin ich? Das direkte Sensibelchen? Oder harte Schale, weicher Kern?
  • Wie gehe ich mit meiner Sensibilität um? Welches Feedback von außen, das übrigens ein Hinweis auf meine inneren Anteile ist, bekommen ich zu meiner Sensibilität?
  • Wie steht es um das Drama? Bin ich vielleicht sogar süchtig danach, mich als sensibel und verletzt zu erleben, und inszeniere (unbewusst) immer wieder Gelegenheiten, meinen alten Schmerzkörper zu aktivieren? Bin ich bereit, das zu heilen?
  • Wie steht es um meine Verbindung zu meinen Geistführern und zu meiner inneren Stimme? Kommuniziere ich mit ihr / mit ihnen mehrmals am Tag, jeden Tag oder erst, wenn sie mich dazu zwingen? Oder bin ich schon praktisch taub dafür und nehme vielfältige Symptome meiner Kommunikationsverweigerung in Kauf?

 

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