Alle meine Anteile: der Identitätskonstrukteur
Inhaltsverzeichnis
- Ein Beispiel: Ablehnung als Grundlage für das Identitätskonstrukt
- Am Identitätskonstrukteur hängen viele weitere Verhaltensweisen und Vorlieben
- Fragen zum Nachforschen und Ergründen
Der Identitätskonstrukteur sorgt dafür, dass die eigene Identität, also das eigene Selbstbild, das Gefühl für sich selbst, stabil bleibt, allerdings handelt es sich dabei nicht um die wahre Identität, sondern um ein Konstrukt, wie der Name des Anteils bereits besagt.
Ein Beispiel: Ablehnung als Grundlage für das Identitätskonstrukt
Ein Beispiel: Stellen wir uns vor, Sie haben in Ihrer Kindheit häufig Abweisung, Ablehnung und vielleicht sogar Mobbing erlebt. Dieses Erleben und besonders die Haltung zu diesem Erleben ist so konstituierend für Ihr Gefühl des Seins in der Welt geworden, dass Sie sich gar nicht vorstellen können, dass Sie sich jemals anders fühlen könnten, dass etwas jemals anders sein könnte. Hier ist der Identitätskonstrukteur am Wirken: Er sorgt zuverlässig dafür, dass Sie von den negativen Emotionen, die aus Ihren Erlebnissen reduzieren, keinesfalls loslassen. Stattdessen hält der Identitätskonstrukteur in Ihnen krampfartig an seiner Deutung des Erlebens fest. Das Gesamtsystem schätzt die Gefahr einer Neu-Validierung der Erlebnisse als zu hoch ein, denn seine Identität ganz oder stückweise einzubüßen, scheint ihm ein sehr gefährliches Unterfangen zu sein. Die Rechnung besagt: Lieber halte ich an den negativen Deutungen der Erlebnisse fest und weiß, wer ich bin, als mich der Wahrheit zu stellen und dann nicht mehr zu wissen, wer ich bin und was mich konstituiert. Die Deutungen könnten natürlich auch zu positiv sein. So oder so passiert Folgendes: Statt Frieden mit der Erfahrung zu schließen und sie endgültig der Vergangenheit angehören zu lassen, halte ich an der positiven / negativen Deutung meiner Vergangenheit fest, um mich identitätstechnisch stabil zu halten. So weiß ich, wer ich bin. Jemand, der eine gute Kindheit hatte. Oder jemand, der von seinen Eltern oder Mitschülern traumatisiert wurde. Jemand, der hilfsbereit ist. Oder jemand, der ein Einzelgänger ist. Oder oder oder.
Am Identitätskonstrukteur hängen viele weitere Verhaltensweisen und Vorlieben
Das ist nur ein Teil der Geschichte, denn an dem Identitätsverständnis hängen ganz viele Verhaltensweisen, Vorlieben oder sogar der Geschmack für etwas oder die Ablehnung von etwas. Lasse ich den Identitätskonstrukteur fallen, kann es sein, dass ich am Ende ein völlig anderer Mensch bin. Vielleicht einer, der jetzt das früher verhasste Gelb mag, oder einer, der nicht mehr raucht oder auf Partys geht, oder einer, der dann eine Weltreise macht, oder vielleicht sogar den Beruf wechselt. Die Angst vor diesem als krass empfundenen Wechsel ist z. T. berechtigt. Es fühlt sich im ersten Moment wie ein Reset an, aber ein Rest zurück auf die Grundeinstellungen: Man kommt seiner Identität näher und das Identitätskonstrukt, also die Identifizierung, fällt weg. Und so puzzelt man sich Stück für Stück so zusammen, wie die Teile tatsächlich zusammenpassen.
Fragen zum Nachforschen und Ergründen
- Bin ich komplett in Frieden mit meiner Vergangenheit? Verspüre ich nur Dankbarkeit und Frieden, wenn ich an sie denke, oder gibt es noch Anteile von Wut, Groll, Verzweiflung u. Ä. oder auch an Idealisierung / Nostalgie, wenn ich an sie zurückdenke? Mit welchen Menschen und welchen Situationen sind diese Anteile verbunden? Bin ich bereit, mir diese Situationen noch einmal anzusehen, die entsprechenden Gefühle und Emotionen auszudrücken und in Vergebung (ver-geben -> weg-geben) zu gehen, so dass ich mich nicht mehr über diese Situationen und Erlebnisse definiere?
- Was ist das Spezielle an mir? Welche Erfahrung oder welches Erleben im Guten wie im Schlechten betrachte ich als sehr wichtig für meine persönliche Entwicklung? Wäre ich bereit, zu überprüfen, ob da ein Identitätskonstrukteur, vielleicht im Verborgenen, am Wirken ist?
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