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Mut zur Transformation

 

Aus der Raupe wird ein Schmetterling. So eine Transformation brauchen wir ab und zu mal auch. Unsere Ängste sorgen zuverlässig dafür, dass wir uns diesem Prozess nicht stellen, bis das Leben selbst es einfordert, sei es durch eine lebensbedrohende Krankheit oder durch die "endgültige" Form, die uns in den Tod transformiert. Das, wovor wie so viel Angst haben, wird also sowieso passieren. Wieso stellen wir uns dann so dagegen?  

Inhaltsverzeichnis

 

Der Schmetterlings-Mülleimer

In meiner Praxis praktiziere ich Mülltrennung: Taschentücher kommen in einen türkisfarbenen Mülleimer mit Schmetterlingen drauf, Papierreste in einen grauen Papierkorb. Falls ein Klient ein Taschentuch braucht, ermutige ich ihn, es gleich in den Mülleimer zu werfen, den ich flexibel in Reichweite aufstelle. Es ist ein symbolischer Akt: Weg ist weg! Erst vor Kurzem wurde mir aber die tiefere Bedeutung meines Schmetterling-Eimers während einer Sitzung bewusst: die Transformation. Für meine Praxis habe ich viele Gegenstände gezielt gekauft, wegen ihrer Symbolik. Der Mülleimer hat mir aber einfach nur gefallen. In einer Sitzung, als eine kleine Transformation anstand, fielen mir die Schmetterlinge auf und natürlich die dazu passende Metapher: Die Raupe stirbt, transformiert sich. Das zum genau richtigen Zeitpunkt und im richtigen Rhythmus. Es entsteht ein Schmetterling. Was die Raupe kann, kann der Schmetterling nicht mehr. Dafür kann er etwas ganz Neues und hat einen höheren Grad an (Bewegungs-)Freiheit erreicht. Das sprach ich in der Sitzung aus. Der Klientin war etwas mulmig zumute –  ihre fest angewachsene und heißgeliebte Kampf-Hülle sollte zwecks Flügel-Ausbreiten ab –, aber sie ließ sich darauf ein – mit Erfolg. So eine (psychische) Transformation brauchen wir ab und zu mal auch, auch während des Lebens und nicht nur erst zum endgültigen Übergang in den Tod. Leider ist der Prozess der Transformation äußerst angstbesetzt. Dafür gibt es viele Gründe.

Psychische Transformation und körperliche Wahrnehmungen

So eine psychische Transformation kann unangenehm werden, emotional wie körperlich. Die körperlichen Symptome können dabei mehr als unangenehm werden. Übelkeit, eine Hitzewelle, ein seltsames Zittern. Wenn ein Mensch nicht weiß, was mit ihm passiert, kann er zum Schluss kommen, dass er krank ist und mit ihm etwas Schlimmes passiert. Das verstärkt die Ängste bis hin zu Panikattacken. In einem sicheren Praxis-Kontext kläre ich darüber auf. Die Symptome sind dann gar nicht mehr so stark bzw. können gut ausgehalten werden. Der Transformationsprozess bekommt einen höheren Sinn, und auch ein Ausweg (anders als im Alltag) ist in Sicht.

Ich bin doch immer ich oder etwa nicht?

Von meinen Körperzellen her gesehen bin ich jemand ganz anders als vor 5 Jahren. Sie haben sich alle erneuert. Trotzdem halten wir am Konzept fest, dass wir psychisch und körperlich etwas Beständiges sind, dass sich nicht transformiert. Das stimmt so nicht (bis auf die psychischen Muster, die wir sehr früh ausbilden und sehr lange behalten – aber auch die können wir loswerden; das ist sogar der Sinn der Transformation.). Unsere Körperzellen teilen sich. Neue werden geboren, alte sterben. Unsere Psyche nimmt neue Eindrücke auf, sortiert alte aus und lässt einige erst gar nicht zu. Wir sind viel flexibler, als wir denken, und manchmal auch für Transformationsschritte bereit. An unserer Grundessenz ändert sich hingegen durch die Transformation nichts. Sie kommt nur immer besser und stärker zur Geltung. In der Raupe war der Schmetterling ja auch angelegt. Und so werden wir auch zum Schmetterling, den wir schon immer im Ansatz gewesen sind. Seine Farben werden immer leuchtender. Die Flügel immer größer. Seine Ausstrahlung bezaubernder und facettenreicher.

Transformation ist wie Level-up im Computerspiel oder eine Art Entwicklungssprung

Wer Computerspiele spielt, kennt das Prinzip des Level-up. Man erstellt einen Charakter einer bestimmten Klasse (Krieger, Mönch, Waldläufer u. Ä.) und fängt mit Level 1 an. Der Charakter sammelt Erfahrungspunkte. Hat er genug gesammelt, steigt er eine Stufe auf und kann eine neue Fertigkeit erlernen oder bessere Gegenstände ausrüsten und benutzen. Auch im richtigen Leben erfolgt unsere Entwicklung in Level-ups, also in Sprüngen, auch wenn wir kontinuierlich Erfahrung sammeln. Alle Eltern wissen das: Auf einmal kann das Kind etwas, was es gestern noch nicht konnte. Natürlich täuscht dieses „auf einmal“. Das Kind hat kontinuierlich dafür geübt. Der qualitative Sprung wird aber plötzlich sichtbar. Eine (psychische) Transformation hat eine ähnliche Qualität. Um sie zu erreichen, muss ein gewisses Grunderfahrungsniveau erreicht werden. Irgendwann macht es Klick – und voilà. Jeder, der ein Computerspiel mit Level-up-System gespielt hat, weiß, dass es mit zunehmendem Aufsteigen des Charakters auch immer mehr Spaß macht. Es wird abwechslungsreicher, man verfügt über zahlreichere und unterschiedlichere Fertigkeiten, man hat sogar so viele, dass man auswählen kann, welche man einsetzt. Man hat tolle Gegenstände, die man benutzen kann und noch andere Extras, die niedrigstufige Charaktere nicht haben. Man hat Zugang zu Gebieten und zu Erfahrungen, zu denen man zu Beginn des Spiels keinen Zugang hatte oder die noch zu schwer waren. Was Computerspieler (und Kinder und Raupen) so selbstverständlich anstreben, ist im „richtigen“ Leben weniger gefragt. Jedenfalls sehe ich keine kilometerlange Schlange von Menschen, die alle eine Transformation haben wollen. Woran liegt das?

Nicht-Wissen

Einige Menschen wissen nicht, dass das möglich ist. Sie haben noch nie etwas davongehört. Viele Menschen auf dieser Welt sind so mit dem bloßen Überleben beschäftigt, dass es nicht ihre primäre Aufgabe zu sein scheint, eine Transformation bewusst anzustreben. Wenn sie dran ist, wird das Leben selbst dafür sorgen.

Wollen und Nicht-Wollen

Man kann aber auch von der Möglichkeit der Transformation wissen, sie aber nicht wollen. Oder man kann sogar vorgeben sie zu wollen und auch in seinen Handlungen den Anschein erwecken, dass man sie will, sie im Grunde genommen aber nicht wollen. Im Laufe meiner Ausbildung habe ich mehrere Aufstellungsprozesse mitbekommen, die mich stutzig gemacht haben. Es wurde auf eine Transformation hin gearbeitet. Im allerletzten Moment, als die Spannung und der Druck anstiegen und nur noch das letzte kleine Bisschen fehlte, wurde der Abwehr doch Vortritt gelassen, mit der Erklärung, das sei genug für heute und bereits zu viel. Mich überraschte die vertane Chance in dem Moment sehr. Erst später begriff ich, was da passierte und wie die Kräfte (Wollen vs. Nicht-Wollen) zu Gunsten von Nicht-Wollen verteilt waren. Ändern konnte ich an der Kräfteaufteilung nichts, nahm mir aber vor, in meiner Praxis gezielter auf die Kräfte-Verteilung zwischen Wollen und Nicht-Wollen zu achten und das Nicht-Wollen direkt anzusprechen. Wenn das Nicht-Wollen voll zum Zuge kommt, kann es manchmal doch ein OK zur Transformation geben, besonders wenn die Klienten merken, dass ihre Psyche (der abwehrende Teil davon) ihnen eine Gefahr vorspielt, die so nicht (mehr) da ist. Zuerst beschäftigen wir uns aber mit dem Nicht-Wollen im Detail.

Individuelle Ängste für das Nicht-Wollen

Individuelle Ängste kommen ins Spiel, wenn ein Mensch um die Möglichkeit der Transformation weiß oder von ihr erfährt, sie ihm aber noch zu viel Angst macht. Wird es nach nicht noch alles schlimmer werden? Weiß ich danach denn überhaupt noch, wer ich bin? Wenn ich meine Muster nicht habe, wie werde ich dann überhaupt eine Entscheidung treffen oder handlungsfähig bleiben können? Das sind alles Fragen, die man sich stellt, wenn man noch keine Erfahrung hat. Es kann aber der Punkt kommen, dass man es doch riskiert. Etwas zieht einen Richtung Transformation und diese Ziehkraft gewinnt. Die Angst hält dagegen, solange sie kann. Wie lange aber? Wir Menschen harren meist so lange aus, bis die Uhr nach zwölf zeigt...

Gesellschaftliche Ängste für das Nicht-Wollen und das Umfeld

Habe ich in meinem Umfeld Menschen, die bereits Transformationen erlebt und erfahren haben, wird es mir leichter fallen, mich selbst auf eine einzulassen. Ich habe Vorbilder. Ich kann sie befragen. Vielleicht habe ich ihren Weg beobachtet und ihre Veränderungen gespürt und gesehen. Ich habe gesehen, welche Schätze sie bergen konnten und was sie daraus gemacht haben. Das macht es mir leichter, besonders wenn ich kein „Vorreiter-Typ“ bin.

Unser gesellschaftliches Klima beruht ebenfalls auf Angst. Diese Angst wird aber fleißig zugedeckelt, z. B. durch Kontrolle, durch das Aufrechterhalten von Geschäftigkeit und Tüchtigkeit, durch die Illusion von „immer besser, schneller, höher“ und durch die Illusion von Macht über Leben und Tod. Natürlich kann Medikament X das Leben verlängern. Den Tod und die Gesetze des Lebens (z. B. auch die Sprache der Symptome) wird es nicht austricksen können. Symptom weg, Problem gelöst? Pustekuchen! In jedem Symptom steckt Energie drin. Nach dem Energieerhaltungssatz kann die Energie nicht weg sein, also wird sie sich einen neuen Kanal suchen, häufig einen noch versteckteren. Mit der Transformation hingegen könnte die Energie des Symptoms freigelegt und neu integriert werden. Es gibt keine Garantie auf Heilung, aber eine Möglichkeit, ein Potential, das eben durch diese Energie entsteht. Und trotzdem auch hier keine kilometerlange Schlange. Lieber glauben die Menschen an die Unveränderlichkeit: die Gene, das Schicksal. Und sie leiden. Leid bringt übrigens viele Vorteile! Gehe ich durch eine Transformation, habe ich keinen Grund mehr zu leiden. Meine Selbstverantwortung und meine Selbstregulation werden aktiv und werden entsprechendes Handeln von mir einfordern. Ein Zurück gibt es nicht mehr. Schwierig in einer Gesellschaft, die Selbstverantwortung mit dem braven Befolgen von Regeln verwechselt, Gesundheit und Heilung mit Krankheitsverwaltung und Menschen mit einer grundlegenden und entweder latent vorhandenen oder sehr klaren Existenzangst konfrontiert, die sich aus der Not speist, für seinen Lebensunterhalt Geld verdienen zu müssen. Solange Menschen diesem Vertrag beitreten und mit dieser Angst leben, sind sie Sklaven. Meistens keine äußeren Sklaven wie im alten Ägypten, auch wenn die äußeren Umstände widrig bis menschenunwürdig sein können. Wir mögen das äußere Sklaventum abgeschafft haben (Nein, das haben wir auch nicht ganz, s. z. B. die Mindestlohndebatte!), der innere Sklave lebt aber in uns weiter. Wir fügen uns diesem Bild, da wir es für die Realität halten. Dagegen hält die freie Energie, die auf ihre Entfaltung drängt. Wir unterdrücken sie, schaffen uns Symptome, werden vielleicht sogar gewalttätig, machtsüchtig und kontrollierend. Da aber das Freisein in jedem Menschen angelegt wird, kann jeder Sklave sich in einen freien Menschen transformieren. Was wäre denn der dafür nötige Impuls?

Ehrlichkeit

Ja, Ehrlichkeit hilft. Sie hilft sogar sehr. Hand aufs Herz: Bin ich ein freier Mensch? Oder der Sklave des Arbeitsmarktes, meiner Herkunft, meiner Muster? Und? Will ich die Ketten sprengen? Oder liebe ich sie so sehr, dass ich sie pflege und hege und öle und darauf achte, dass ihnen bloß niemand zu nahe kommt, der mir zeigen könnte, wie man sie sprengt? Früh lernen wir die dafür notwendigen Mechanismen, so dass wir die Menschen, die uns zeigen könnten, wie man sich befreit, von uns fernhalten. Und so können wir unsere Ketten weiter lieben. Irgendwo tief in der Erde wartet aber der Freiheitssamen. Ohne ihn wären wir nicht auf dieser Welt.

Samen, wo bist du?

Von alleine wird aus ihm wohl kein Baum. Es braucht einen Gärtner, der den Willen hat und ihm auch Wärme und Zeit schenkt. Schläft der Gärtner noch? Oder liegt auch er in Ketten in seinem Gartenhäuschen? Wäre es möglich, dass er herauskommt und seine Arbeit, die er wohl zu Beginn meines Lebens angefangen hat – ausgesät wurde ja! – wieder aufnimmt? Was würde da wachsen?

Den Gärtner wecken

Schlechte Nachrichten: Das kann niemand außer Ihnen! Nicht Ihr Mann oder Ihre Frau, nicht Ihre Kinder, nicht Ihr bester Freund und auch nicht die Nachbarin. Auch nicht der beste Lehrer der Welt oder die begnadetste Therapeutin. Die Impulse zum Wecken und zum Transformieren sind überall. In jeder Zelle des Körpers. Im Geiste sowieso. Die Seele wacht darüber. Es fehlt nur noch der letzte Schritt...

Der letzte Schritt

Sie tun es oder Sie tun es nicht. Sie entdecken den Mut oder Sie geben der Angst nach. Sie entscheiden. So einfach ist das.

Transformation Nummer....

Oh, Entschuldigung, Sie gehören wohl zu den Lesern, die das alles bereits wussten? Wiederholung ist manchmal nicht schlecht, habe ich irgendwo von weisen Menschen gehört. Sie sind bei Transformation Nummer wie viel angekommen? Aha! Ob es noch viele gibt? Ja, bestimmt. Das hört nie auf. Eine lebenslange Aufgabe. Wie....? Sie dachten, Sie wären irgendwann fertig? O, da muss ich Sie leider enttäuschen. Wenn man „erleuchtet“ ist (Erleuchtet, also mit dem Licht verbunden, sind wir übrigens alle, nur einige weniger, andere etwas mehr.), dann sitzt man nicht den ganzen Tag im Lotus-Sitz herum und meditiert vor sich hin. Man nimmt weiterhin aktiv am Leben teil mit all seinen Höhen und Tiefen. Mit Transformationen können Sie das Leben (und den Tod) keinesfalls austricksen, aber Ihr Leben interessanter, tiefsinniger, lebenswerter und heiler machen. Sind Sie dabei?



Fragen zum Nachforschen und Ergründen

  • Habe ich schon eine Transformation (gezielt oder ungewollt) durchgemacht, z. B. durch Selbsterfahrung oder durch einen Unfall oder eine schwere Krankheit? Oder ist sie für mich (noch) ein Fremdwort?
  • Wie steht es um mein Wollen bzw. Nicht-Wollen? Bin ich bereit für ein Level-up?
  • Was sagt mein Gefühl? Steht ein Level-up bald an? Wenn ja: Wie lange werde ich mich noch darum drücken können?
  • Welche Ängste verbinde ich mit einer möglichen Transformation? Angst vor Neuem? Dass alles noch schlimmer wird? Angst vor Kontrollverlust? Angst zu sterben? Angst, nicht mehr dazuzugehören und Freunde / Familie etc. zu verlieren? Andere Ängste? (Ich hatte schon einmal die Angst, dass mir meine Lieblingsmusik nicht mehr gefällt. Das völlig unbegründet. Mit dem Level-up stieg auch der Genusslevel.)
  • Welche Erfahrungen habe ich im Laufe meines Lebens mit dem Thema der Transformation gemacht? Welche Einstellungen und Haltungen wurden mir vorgelebt bzw. vererbt? Wie reagiere ich spontan auf den Transformationsgedanken? Alles nur Esoterik? Unwissenschaftlich? Tabuthema? Noch nie etwas davon gehört? Brauchen wir nicht? Viel zu teuer und obendrein nutzlos? Oder: Alles Gene? Alles Schicksal? Kann man eh nichts ändern? Es gäbe nur Symptombehandlung?

  • Welche Verbindung habe ich zur spirituellen Ebene? Gehe ich voll ins Leben oder halte ich mich zurück? Habe ich Angst vor dem Tod oder sind wir gut befreundet und miteinander ausgesöhnt? Wie stehe ich zu meiner Power? Tue ich so, als wäre ich eine Familienkutsche, oder weiß ich um meine Power? Nehme ich sie auch an oder macht sie mir (noch) zu große Angst?

  • Bin ich bereit, mich meinen anstehenden Prozessen zu stellen und auf meine nächste Transformation hinzuarbeiten? Weiß ich, was als Nächstes dran ist? Sehe ich es vielleicht in meinen Träumen oder meinen Meditationen? Oder ist es nur irgendwo im Gefühl, ohne zu verraten, was es ist?

  • Bin ich eine Raupe oder ein Schmetterling? Oder bin ich in einem Zwischenstadium steckengeblieben?

  • Bin ich bereit, nicht mehr zu leiden und auf alle Vorteile, die das Leiden mit sich bringt, zu verzichten? 

 

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