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Unterm Niveau sein 2 – tue ich das, was meinem Potential entspricht?

 

Inhaltsverzeichnis

 

Das ist die Fortsetzung des Artikels zum Thema, warum jemand unter seinem Niveau ist und wie man es ändern kann. Als Reaktion auf den Artikel kam u. a. die Frage auf, woran man erkennt, ob man sein Potential versucht auszuleben oder ob man sich diesbezüglich täuscht. Dieser Frage gehe ich nach.

Wie leben kleine Kinder ihr Potential?

Wie machen das eigentlich kleine Kinder? Sie können meist nicht anders, als ihr Potential zu verwirklichen. Sie lernen laufen, sie lernen sprechen. Auch wenn sie gefühlt 100.000 mal auf die Nase fallen, machen sie trotzdem weiter, bis sie es können. Es liegt im Potential eines jeden Menschen sich zu bewegen und sich auszudrücken, sprachlich – mündlich und schriftlich und künstlerisch. Wenn der Ausdruck dieses Potentials unterbunden wird, hinterlässt es Spuren. Natürlich gibt es introvertierte Menschen. Aber auch an dieser Stelle würde ich die Frage aufwerfen, ob es die Natur von jemandem ist, introvertiert zu sein, oder ob er in seinem Selbstausdruck unter Druck gesetzt, eingeschränkt, bedroht oder beschämt wurde. Als Erwachsener habe ich diese Lernprozesse bereits durchlaufen. Mit all den positiven und negativen Seiten. Ich kann auf sie ganz selbstverständlich zurückgreifen, auch wenn ich mich an das Lernen nicht bewusst oder nur zu einem kleinen Teil erinnern kann. Häufig stammt die Erinnerung aus Erzählungen anderer Personen über diese Zeit und ist daher ein Stück konstruiert. Die eigene Erinnerung bleibt im Körper als implizites Gedächtnis erhalten und kann im Beratungskontext adressiert werden. Aus meiner Sicht ist es ein großer Schatz!

Fallbeispiele für Potentialnutzung bzw. -nichtnutzung

Zurück zum Hauptpunkt. Nutze ich also mein Potential oder nicht? Diese Frage möchte ich an mehreren Fallbeispielen erläutern.

Fall 1: Ich tue etwas mit größter Leidenschaft. Es gelingt mir mühelos und bereitet mir größte Freude. Manchmal kommt es auch zu misslungenen Versuchen und zu Frustration. Ich gehe aber gestärkt daraus hervor. In diesem Fall handelt es sich mit höchster Sicherheit um etwas, was mir und meinem Potential entspricht. Die Motivation, die Energie – alles ist da, wie von Zauberhand. 

Fall 2: Ich zwinge mich zu etwas. Es ist absolut mühselig und kostet mich viel Willenskraft. Am liebsten würde ich sofort aufhören. Höchstwahrscheinlich ist es etwas, was mir überhaupt nicht entspricht. In seltensten Fällen dürfte es sich um eigenes Potential handeln, das absolut blockiert ist. 

Fall 3: Ich sitze stundenlang vorm Fernseher, zappe herum. Oder ich sitze vorm Rechner und surfe die ganze Zeit hin und her. Nach einigen Stunden fällt mir auf, wie viel Zeit vergangen ist. Mein Nacken oder mein Arm tun weh. Das hat nichts mit dem eigenen Potential zu tun und ist reine Ablenkung. 

Fall 4, der sehr häufig vorkommt: Ich will etwas und gleichzeitig will ich es nicht. Ich will zur Arbeit gehen und Geld verdienen. Ich will mich mit meinen Kollegen austauschen und etwas entwickeln. Gleichzeitig merke ich, dass es mich eine Überwindung kostet, zur Arbeit zu gehen. Oder ich fange etwas an, wozu ich richtig viel Lust habe, werde aber am nächsten Tag krank. Hier sind also zwei Kräfte am Wirken. Ich nenne sie das „Wollen“ und das „Nicht-Wollen“. Es nicht immer einfach zu sagen, welche von diesen Kräften meinem Eigenen entspricht und welche fremdbestimmt ist. Das Krankwerden kann sowohl aus alten Glaubenssätzen (So gut darfst du gar nicht sein!) kommen, dann wäre das Nicht-Wollen in diesem Beispiel fremdbestimmt. Oder aber ich will etwas, was mir gar nicht entspricht, und das Krankwerden (das Eigene) hindert mich daran, etwas zu tun, was ich lassen sollte und was ich fälschlicherweise für mein eigenes Ziel, gespeist aus meinem eigenen Potential, halte. 

Fall 5: Wie Fall 4, nur differenzierter. Als Beispiel nehme ich eine für mich früher typische Situation: Ich melde mich für ein Tennisturnier an und merke, dass ich sofort nach der Anmeldung auf eine komische Art aufgeregt bin. Auch hier gibt es 2 Kräfte: das Wollen (Ich habe mich angemeldet!) und das Nicht-Wollen (Ich bekomme es mit der Aufregung zu tun, die mich vor der Situation warnt und es unangenehm macht).

Der Clou besteht darin, dass das Wollen und auch das Nicht-Wollen sowohl selbst- als auch fremdbestimmte Anteile haben können. 

Zuerst das Wollen: 

Selbstbestimmtes Wollen: Ich brauche eine Herausforderung, ich will eine neue Erfahrung machen. Ich will neue Menschen kennenlernen. Ich will meinen Rhythmus finden, Antworten auf die Aufgaben, die man mir stellt. Dabei weiß ich nicht, welche das sein werden. Ich will meine Flexibilität erhöhen. Ich will mich auf den Prozess einlassen und ihn genießen. Ich will mit Adrenalin-Schüben klarkommen lernen. Ich will meine Energien steuern (lernen). Ich will ruhig bleiben lernen, egal was passiert. Ich will aus meinen Fehlern lernen. 

Fremdbesimmtes Wollen: Ich will gewinnen. Ich bin ehrgeizig. Ich will zeigen, dass ich eine gute Tennisspielerin bin. Ich will für ein Ergebnis sorgen, das sich sehen lässt und meinem Status angemessen ist. Am besten möglichst fehlerfrei. Schön wäre außerdem, wenn das Spiel für die Zuschauer schön anzusehen ist. 

Und jetzt das Nicht-Wollen:

Selbstbestimmtes Nicht-Wollen: Es verweist auf die fremdbestimmten Anteile beim Wollen. Denn das fremdbestimmte Wollen kann nicht mit Sicherheit erreicht werden (anders als beim selbstbestimmten. Da erreiche ich immer meine Ziele, denn ich bin im Lernprozess.). Da ich das Erreichen dieser Ziele nicht kontrollieren kann, erzeugt es Spannung und Ängste in mir. Ich setze mich unter Druck und verspanne mich, um diesem Nicht-Wollen Paroli bieten zu können, was auf das fremdbestimmte Nicht-Wollen verweist. Gleichzeitig zeigt es auf, dass etwas nicht stimmig ist und ich dem nachgehen sollte.

Fremdbestimmtes Nicht-Wollen: Es geht um die alten Überzeugungen, Glaubenssätze, Loyalitäten. So etwas, wie „Turniere spielen ist nichts für dich.“ „Du bist mental nicht stark genug.“ Oder noch besser: „Nur dumme / komische Leute treiben ernsthaft Leistungssport.“

Ganz schön komplex, was?

Wie sieht die Lösung aus?

Was wäre die Lösung? Ich spüre die fremdbestimmten Anteile auf, bearbeite sie und entferne sie aus meinem System. Dann habe ich mehr Platz für das Eigene, das natürlich erst angenommen werden muss. Meist geschehen diese Prozesse parallel oder sind miteinander verbunden. Woran merke ich den Erfolg meiner Intervention? Ich melde mich für ein Turnier an und bin nicht aufgeregt. Ich gehe auf den Platz und habe im ersten Spiel keine Zitterhände. Ich bekomme besser Luft beim Spielen. Ich kann Punkt für Punkt spielen und mich vom Ergebnis freimachen. Das bedeutet allerdings nicht, dass so ein Wettkampf immer nur angenehm ist. Das würde der Natur des Wettkampfs nicht gerecht werden. Der Körper wird früher oder später die dafür notwendige Energie bereitstellen, was eine Menge ist. Das wird sich nicht angenehm anfühlen. Ich lerne mit der Zeit, diese Spannung auszuhalten und selbstbestimmt einzusetzen.

 

Fragen zum Nachforschen und Ergründen

  • Lebe ich mein Potential? Oder bin ich (weit) drunter?
  • Wen bewundere ich? Warum? Aufgrund von welchen Eigenschaften? Oder liegt es am Verhalten dieser Menschen? Oder an ihrer Ausstrahlung?
  • Welche blockierenden Gedanken habe ich? Welche Zweifel und Ängste zeigen sich? Habe ich Angst, die gewonnene Sicherheit aufs Spiel zu setzen oder sogar ganz zu verlieren, um etwas zu bekommen, wovon ich nicht einmal weiß, was es genau ist?
  • Wie verhält sich mein Wollen zu meinem Nicht-Wollen? Was davon ist selbst-, was fremdbestimmt? Kann ich das Selbstbestimmte vom Fremdbestimmten überhaupt unterscheiden?
  • Bin ich bereit für Prozesse, die mein Potential freilegen würden? Wenn ja, bin ich dann auch bereit dafür, dass mein Potential seine Entfaltung von mir einfordern wird? Und das auf eine direkte und unmissverständliche Art und Weise? Ein Zurück gibt es dann nicht mehr!

 

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