Übung: kleiner Kopf, großer Kopf
Wir haben alle zwei oder mehr Köpfe in uns. Einige von ihnen sind still, andere reden ununterbrochen, manche sogar im Schlaf, andere verkriechen und verstecken sich. In dieser Übung geht es um die zwei essenziellen Köpfe: unseren großen, weiten und offenen Kopf und unseren kleinen und engen Kopf.
Die Übungsbeschreibung
Gehe in eine meditative Haltung und vertiefe deine Atemzüge. Sinke noch ein bisschen tiefer und bitte drum, deine zwei Köpfe zu spüren oder dir vor deinem Geistigen Auge anzeigen zu lassen. Vielleicht spürst du die Köpfe ineinander, den großen außen und den kleinen innen, oder aber du empfindest sie anders, nebeneinander oder hintereinander.
Konzentriere dich zuerst auf den großen Kopf. Ich verbinde ihn mit der Buddha-Qualität, er fühlt sich ein bisschen auch wie ein Buddha-Kopf an: groß, frei, gelassen. Vielleicht fühlst du auch ein sanftes Lächeln in dir, wie Buddha- und Tara-Statuen es typischerweise auf ihren Lippen haben. Das ist das Wissen darum, dass alles nur ein Spiel und nicht so ernst zu nehmen ist: "Auch das geht vorbei!" Viele Worte sind da nicht, aber ein Gefühl von Frieden und Weite.
Der kleine Kopf fühlt sich anders an. Vielleicht spürst du sogar Enge oder Druck, z. B. bei den Schläfen oder im Kronenbereich. Der kleine Kopf ist derjenige, der dann auch "kleinlich" ist, auf Vor- und Nachteile, "Ausgleich und Gerechtigkeit" und Ähnliches bedacht ist. Er urteilt und reagiert, häufig mit einer Form von Angst oder mit Wut. Mache erst einmal nichts, sondern fühle deinen kleinen (oder auch mittleren) Kopf. Vielleicht gibt es ja auch ein Problem, bei dem es drückt?
Konkrete Anwendung
Bei einem Problem könntest du jetzt die Wahrnehmung vom großen und kleinen Kopf für dich konkret nutzbar machen. Denke an eine Situation, einen Menschen, eine Beziehung oder etwas anderes, was für dich zurzeit problematisch ist. Etwas, was dich ärgert, ängstigt, was du nicht verstehst oder zu welchem Unwohlsein auch immer es führt. Lass dir die Situation oder den Menschen vor deinem inneren Auge anzeigen und betrachte das, was du dann siehst, erst einmal sehr genau. Geh in die Wahrnehmung des kleinen Kopfes. Was sagt er dazu? Welche Urteile werden gefällt? Welche Glaubenssätze werden sichtbar? Drücke alles aus und führe auch alle Körperbewegungen aus, langsam und bewusst, die in dir aufsteigen. Nun wechsle in die Wahrnehmung des großen Buddha-Kopfes. Was sagt er zu der Situation? Wahrscheinlich wird sich deine Wahrnehmung in diesem Moment erweitern und der kleine Kopf ein bisschen größer werden, wenn du alle Schritte richtig befolgt hast und die Zeit reif ist für eine Ausdehnung. Wenn nicht, akzeptiere es erst einmal, und versuche es zu einem anderen Zeitpunkt oder sorge für eine Begleitung beim Prozess. Wechsle bei Bedarf zwischen den beiden Kopf-Wahrnehmungen hin und her und lass dir dabei Zeit, alles genau zu erspüren und zu sehen. Frag auch deinen großen Kopf nach der Einschätzung, ob eine Sache, Beziehung, Situation überhaupt wichtig ist. Häufig ist es so, dass die Dinge, die unser kleiner Kopf für sooo wichtig hält, aus der Sicht des Buddha-Kopfes keine hohe Wichtigkeit und keine Priorität haben. Wenn das so ist, kannst du den großen Kopf fragen, was wirklich wichtig ist oder was du aus der Situation / aus der Beziehung lernen sollst.
Interessant ist diese "Übung" bei Fällen von Ärger. Mir fällt dazu ein Satz ein, den ich bei Rüdiger Dahlke (?) gelesen habe: "Ich ärgere mich nie, weswegen ich meine". Wenn wir uns ärgern, meinen wir zu wissen, warum. Dabei wird der Grund vom kleinen Kopf identifiziert, der aus seiner engen Sichtweise heraus die Wirklichkeit interpretiert und z. B. sagt: "Ich ärgere mich, weil Nachbar X nicht gegrüßt hat oder was auch immer." Das ist nie die wahre Ursache des Ärgers und an dieser Stelle kannst du die Wahrnehmung des großen Kopfes nutzen, um die Ursache des Ärgers genauer identifizieren und auflösen zu können. Kleiner Tipp: Ärger tritt immer da auf, wenn uns ein größeres umfassenderes Verständnis von der Wirklichkeit fehlt. Man muss sich allerdings dafür auch öffnen und das bruchstückhafte "Verstehen" oder "Auffassen" der Wirklichkeit durch den kleinen Kopf ein Stück weit aufgeben können. Aber wie das so schön ist: Alles zu seiner Zeit. Diese Prozesse brauchen Zeit, Mut und Konsequenz. Bleib dran!
Bildnachweis:
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay