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Alle meine Anteile: der innere Teenager

 

Inhaltsverzeichnis

 

Der innere Teenager ist einer meiner Lieblingsanteile: Er nimmt sich kein Blatt vor den Mund, ist nicht korrumpierbar und pocht auf Klärung. Er ist radikal im ursprünglichen Sinne (radix lat. Wurzel), weiß, was er will und schneidet bereitwillig alte Zöpfe ab. So mutig, wie er ist, steht er zu sich. Er kennt keinen äußeren Zwang oder er widersteht ihm. Er ist rebellisch-feurig, mitreißend und faszinierend.

Diese Energie fehlt zurzeit sehr, nicht nur im Jugendalter, wo sie sonst so typisch ist, sondern auch sonst, denn sie sorgt für die notwendige Erneuerung und neue Ideen. Wo diese Erneuerung ausbleibt oder sich zu lange Zeit lässt, fangen an andere Kräfte zu wirken, die noch deutlich weniger nett sind als die Teenagerkraft: Das sind die Kräfte der Zersetzung, der Verwesung und der Krankheit. Plutonisches dringt an die Oberfläche durch und dann wird es unappetitlich. Der Teenager ist dagegen straight und klar. So einen braucht jeder von uns in seinem Team, um nicht zu wischiwaschi-artig und bequem zu werden, um nicht ständig auf Lieb-Kind zu machen.

Diese pubertierenden Jugendlichen...

Die Pubertät ist gerade nicht sonderlich in. Oder war sie das noch nie? "Mein Kind ist in der Pubertät", dazu noch das typische Augenverdrehen oder ein Blick, der Mitleid erregen soll. Oder auch: "Diese Hormone..." Häufig äußern sich Menschen offensichtlich oder etwas subtiler abfällig über die Teenager-Zeit. Sie heißen diese Energie bei ihren Kindern nicht willkommen, stellen sich auf einen Kampf ein oder schieben es eben auf die Hormone. Auf die Idee, dass ihre Kinder ihnen sehr viel Eigenes Unstimmiges spiegeln, kommen die meisten nicht. Sie wollen diese Zeit irgendwie überleben und hoffen, dass es danach besser wird. Nach dem Motto: Augen zu und durch! So muss es aber gar nicht sein. Wird der innere (und damit auch der äußere) Teenager willkommen geheißen, warten viele wertvolle Gelegenheiten auf sich.

Was der innere Teenager alles kann

Der innere (und natürlich auch der äußere) Teenager kann eine Menge:

  • Ein feineres Gespür für Unstimmigkeiten, Halb-Wahrheiten, Lügen, Heuchelei und Ähnliches hat wohl kein anderer innerer Anteil (außer der übergeordneten Intuition. Man kann es auch so betrachten, dass der Teenager mit seiner Intuition einfach am besten verbunden ist). Perfekt! Wenn man als Elternteil seine blinden Flecken aufdecken will, hat man den perfekten Spürhund im Haus! Überall, wo er Nicht-Authentizität wittert, leidet sofort die Stimmung im Haus – schlaue Leute nutzen es als Einladung, sich selbst und die eigenen nicht-authentischen Seiten kennenzulernen. Alle anderen versuchen den Teenager zum Schweigen zu bringen, z. B. durchs Moralisieren ("So redest du aber nicht mit mir!") oder durchs Rationalisieren. Oder gleich mit Bestrafen oder Belohnen und mit allen anderen Manipulationsformen.
  • Er lässt sich nicht korrumpieren und steht zu sich, koste es, was es wolle. Natürlich kann der Mensch trotzdem gebrochen werden. Dafür wird er den inneren Teenager in den Kerker sperren müssen, wo dieser dann sein Dasein fristet, häufig bis zum Lebensende.
  • Auch wenn er häufig impulsiv Nein sagt, hat er mit seiner rebellischen Ader doch ein feines Gespür für jede Form von Druck, Zwang und Unfreiwilligkeit.
  • Er redet Klartext und nennt alles beim Namen. Wenn etwas Scheiße ist, dann sagt er auch, dass es Scheiße ist. Wenn etwas super ist, dann sagt er auch, dass es super ist. Auch für alles dazwischen hat er Worte. Man könnte meinen, der Teenager würde die Zwischenstufen und die Diplomatie nicht beherrschen. Aber da irrt man sich. Meistens muss er einfach aufdrehen, weil er bei früheren diplomatischeren Versuchen nicht gehört worden ist. Auf die typischen Umdrehungen und Verdrehungen, also das falsche und verdrehte Benutzen von Begriffen, reagiert er zurecht allergisch. Man kann ihm eben nichts vormachen und man kann ihn auch nicht mit Versprechen oder mit Süßholz-Geraspel einlullen.
  • Er kann alte Zöpfe abschneiden oder Brücken hinter sich verbrennen, also loslassen, im Vertrauen darauf, dass danach etwas Besseres kommt. Auch Übergangszeiten zwischen dem Alten und dem Neuen nimmt er als selbstverständlich hin. Ein Vermeider ist er jedenfalls nicht.

Der innere Teenager gesellschaftlich betrachtet 

In unserer Gesellschaft scheint der innere Teenager stark unterdrückt zu sein, so dass nicht einmal die Jugendlichen diese feurig-rebellische Energie offen leben. Vielleicht verlagern sie sie auf solche Bereiche wie Partys, Sex und Herumhängen. Oder die Konflikte finden dann in Familien statt, ohne ihr volles Potential für eine gesellschaftliche Erneuerung zu erfahren. Wobei man auch da häufig hört, dass viele Eltern mittlerweile eher Kumpels von ihren Teenager-Kindern sind: Die Pubertät fällt aus. Ob das so gut ist, wage ich zu bezweifeln. Ein gewisses Sparring bleibt in der Zeit nicht erspart, wenn die Natur ihren Lauf nimmt. Und so bleibt auch der Gesellschaft diese Kraft erspart, was scheinbar für Ruhe sorgt. Ja, nur scheinbar. Der Gesellschaft fehlt dann diese Kraft, die imstande wäre, neue Ideen zu generieren und neue Lösungen zu finden. Im Moment versuchen wir gesamtgesellschaftlich, all unsere Probleme mit alten Methoden zu lösen, die diese Probleme teils mitverursacht haben. Man feilt dann ein bisschen hier und ein bisschen dort. Etwas so richtig Bahnbrechendes, Originelles und Neues ist es nicht. Häufig nur pure Kosmetik. Der innere Teenager hingegen folgt der Maxime "Die Lösung muss einfacher sein als das Problem", und er setzt auf Kreativität, kombiniert Dinge miteinander, die scheinbar unkombinierbar waren. Ja, eine große Stärke ist das, die zurzeit fehlt.

Es braucht keine Angst vor seiner Integration!

Haben Sie keine Angst davor, den inneren Teenager besser kennenzulernen und zu integrieren. Die Befürchtung, dass Sie dann nur noch wie ein Teenager handeln, ist völlig unberechtigt. Es ist nur ein Anteil von Ihnen, wenn auch ein wichtiger. Auch er wird, wenn Sie sich ihm voll und ganz zuwenden, nachreifen und sich harmonisch in Ihre Gesamtpersönlichkeit einfügen (Ja gut, vielleicht muss er dann auch ein bisschen auf "Wanderschaft" gehen.). Dann kann er z. B. auch mit Sanftheit kombiniert werden, was auf den ersten Blick unvereinbar erscheint. Also, lassen Sie sich von seiner Radikalität nicht einschüchtern! Das Einzige, was an seiner Radikalität auch Ihnen wehtun kann, ist das Aufdecken der eigenen Lügen und Unaufrichtigkeiten. Das ist aber nur ein kurzfristiger Schmerz, auf den schnell Dankbarkeit für die dazugewonnen Erkenntnisse und Einsichten folgt. Und so wachsen Sie zusammen mit Ihrem inneren (und vielleicht auch Ihrem äußeren?) Teenager!

Übrigens wird der Teenager erst dann sich komplett integrieren lassen, wenn der erwachsene Anteil, also das erwachsene Ich, über so viel Integrität und Ur-Vertrauen verfügt, dass er seine Macht weise einsetzt. Also so, dass es wirklich zum Wohle aller. Der Teenager misstraut und verweigert sich, und das aus guten Gründen. Er sagt: "Ihr seid voller Ängste und missbraucht eure Macht für eure Ego-Zwecke. Deshalb mache ich lieber so, wie ich denke. Das ist sicherer." Gleichzeitig ist er darüber wütend, dass er nicht die richtige Führung angeboten bekommt. Arbeiten Sie deshalb verstärkt an der Stärkung Ihres Ur-Vertrauens und der Auflösung Ihrer Ängste. Dann wird sich auch der innere Teenager Stück für Stück einfügen.

 

Fragen zum Nachforschen und Ergründen

  • Wie sind meine Erfahrungen in meiner Teenager-Zeit gewesen? Wie verlief meine Pubertät? Hatte ich überhaupt eine? Habe ich die Ablösung aus dem Elternhaus geschafft? Wenn Ja, wie? Wenn Nein, warum nicht und wir kann ich sie nachholen?
  • Wie lebe ich die Teenager-Energie in meinem jetzigen Leben? Wie gut bin ich mit dem inneren Teenager verbunden? Bricht diese Energie eher unkontrolliert durch? Unterdrücke ich sie komplett? Oder setze ich sie gut integriert und konstruktiv ein?
  • Wenn ich Kinder in der Pubertät habe: Wie verläuft ihre Pubertät? Wie gestaltet sich mein Kontakt zu ihnen? Was spiegeln sie mir?

 

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