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Mut

 

Inhaltsverzeichnis

 

"Mut ist eine Klammer, die meine Angst zusammenhält" – Worte eines Jungen (5 Jahre) im Rahmen eines Kindergartenprojekts einer ehemaligen Schülerin von mir

 

Mut

Haben Sie schon einmal andere für Ihren Mut bewundert? Ich wette, das hat jeder von uns schon einmal gemacht. Ich verrate Ihnen etwas: Mut ist etwas, was jeder von uns hat. Wir weisen Mut meistens einer Charaktereigenschaft oder einer persönlichen Qualität zu, dabei ist Mut v. a. eins: eine Fähigkeit. Mut ist wie ein Werkzeug, ähnlich der Klammer im Zitat des Jungen, das wir mit einem bestimmten Ziel und mithilfe unseres Fokus gebrauchen können. Fokus bedeutet ja bereits, dass wir unsere Energie fokussieren, also verdichten, auf ein Ziel ausrichten. Genau dazu ist auch Mut da. Mut kommt allerdings erst dann zum Vorschein, wenn unserem Fokus ein Hindernis im Wege steht. Sonst könnten wir uns ja einfach fokussieren und unser Ziel erreichen, was wir im Alltag sehr oft tun, besonders bei Kleinigkeiten und selbstverständlichen Handlungen. Oder brauchen Sie Mut um sich morgens anzuziehen oder sich Zähne zu putzen oder um auf Toilette zu gehen? Wahrscheinlich nicht! Aber wenn Sie sich etwas Ausgefallenes anziehen oder etwas probieren wollen, was Sie noch nie gegessen haben, dann brauchen Sie wahrscheinlich Mut.

Mut ist primär eine Entscheidung, kein Gefühl

Wenn Sie also merken, dass Ihrem Ziel etwas entgegen steht, das Angst in Ihnen auslöst, brauchen Sie ein Maß an Energie, das einen Gegenpol zu dieser Angst darstellt. Bringen Sie nicht genug von dieser Energie auf, dann verzichten Sie auf die Handlung. Manchmal ist es uns sogar bewusst. Wir sagen dann: "Das traue ich mich nicht." Oder: "Das ist mir zu riskant." Mit Ihrer Entscheidung können Sie auch absolut richtig liegen, die Frage ist, aus welchen Gründen Sie es tun. Geben Sie der Angst nach, weil das auch sinnvoll und stimmig ist, also wenn es eine gesunde Angst ist? Oder ergreifen Sie die Flucht? Sie flüchten also vor einer Erfahrung, die in Ihrem Lernplan steht. Die Ängste sind dann keine gesunden Ängste, sondern Altlasten, und es wäre an der Zeit, sie zu überwinden und aufzulösen. Es ist also wichtig, dass Sie diese Ängste unterscheiden lernen. Das ist gar nicht so einfach, denn jede Art von Angst fühlt sich absolut echt an, egal aus welcher Quelle sie stammt. Holen Sie sich Feedback von außen. Wenn Ihr Feedbackgeber nicht an den gleichen Angst-Altlasten leidet, wird er Ihnen eine wertvolle Rückmeldung geben können, ob Ihre Angst gesunder Natur ist oder sich aus Ihren Schutzmechanismen stammt. Es ist außerdem sinnvoll, dass Sie Ihrem Feedbackgeber die Erlaubnis geben, ganz frei zu sprechen. Schließlich muss er für das Feedback an Ihre blinden Flecken dürfen. Also, geben Sie ihm die Erlaubnis es zu tun, und versichern Sie ihm, dass Sie es so wollen und er damit seine Beziehung zu Ihnen nicht aufs Spiel setzt.

Angst trotz Mut oder Mut trotz Angst

Für einen mutigen Schritt nach vorne braucht es eine angemessene Einschätzung seiner Erfolgsaussichten, wobei Erfolgsaussichten realistisch zu betrachten sind. Jeder Mensch kennt das: "Wenn ich mutig nach vorne trete, werde ich mich blamieren!" Dieser Gedanke macht das unerwünschte Ergebnis natürlich wahrscheinlich, ganz abgesehen davon, dass das, wovor man so viel Angst hat, bereits geschehen ist. An dieser Stelle gilt es als Erstes alles an unverarbeiteten Erfahrungen aufzulösen, die mit Mut und Blamage zusammenhängen. Das bereinigt die Einschätzung der eigenen Erfolgsaussichten um die (kindlichen / irrationalen) Altlasten. Das Realitätsbezogene der eigenen Einschätzung verstärkt sich und damit auch ebenso der Mut. Übrigens ist so eine Blamage wie ein kleiner Tod, und zwar der Tod des Egos. In der alten Blamage-Situation blieb der Mensch in seiner Scham stecken, ließ die Scham das Todbringende nicht zu Ende erledigen.  Scham ist ja die vernichtende Emotion schlechthin. Und ja, sie zielt genau darauf ab: auf die Vernichtung des Überflüssigen im Ich. Und so bleibt der Mensch in solchen Gedankenkreisläufen stecken, wie z. B.: "Was würden die anderen sagen? Was würden die anderen denken? Was passiert, wenn alle mit dem Finger auf mich zeigen?" usw. usf. Also, wenn Sie gute Ideen haben, z. B. eine hervorragende Geschäftsidee, sich aber aus solchen Ängsten nicht trauen, suchen Sie Begleitung, die Ihnen Wege zeigt, wie Sie die alte Blamage-Erfahrung abschließen und das Überflüssige, worauf die Scham es abgesehen hat, sterben lassen. Daraufhin ist der Weg frei oder freier für Ihren Mut und Ihre Idee.

Eine Rest-Angst bleibt. Das ist dieses Spannend-Aufregend-Undefinierbare, was das Leben ausmacht. Das, was uns mit dem Chaos-Prinzip des Lebens verbindet. Die Würfel werden fallen und was passiert dann? Welche Aufgabe wartet dann auf mich? Und wenn sie gewaltig ist? Eine oder mehrere Nummern zu groß für mich? Ist es dann überhaupt möglich, dass ich ihr gerecht werden kann? Dieses Spannungselement wird bleiben, man kann aber seine Einstellung dazu ändern, es als etwas Prickelndes, als eine angenehme und zugleich herausfordernde Begleiterscheinung empfinden, sie willkommen heißen. Das ist DER Spannungsmoment, bevor die Würfel über den Tisch rollen. 

Mut und Dummheit

Da Mut auf Entscheidungskraft beruht, kann er auch zu etwas Dummem führen, wenn man sich entsprechend dumm entscheidet, z. B. den Superhelden spielen will. Daran ist aber nicht der Mut schuld, denn er ist nur ein Werkzeug, sondern der Benutzer. Stellen Sie sich vor, jemand sticht sich mit der Gabel ins Auge. Sie würden ja auch nicht auf die Idee kommen, der Gabel die Schuld zu geben, oder? Im Kontext von psychologischen Dingen, die wir nicht anfassen können, greifen wir viel lieber auf diesen Trick der Schuldzuweisung zurück, weil er scheinbar schwerer zu durchschauen ist, als es mit etwas Anfassbarem wie mit einer Gabel der Fall wäre. Das ist aber reine Selbsttäuschung. Dem Mut kann man genauso schlecht die Schuld geben wie einer Gabel. Und trotzdem tun wir das. Wie man das auch so schön in Informatikerkreisen sagt: "Das Problem sitzt meistens vor dem Computer." Da ist genau das gleiche Prinzip gemeint. Nicht der Mut ist das Problem, sondern sein Benutzter benutzt ihn falsch oder auf eine dumme Art und Weise, so dass er von seinem Mut mehr Nach- als Vorteile hat. Oder nur noch Nachteile.

Neuer Glaubenssatz: "Was auch immer passiert, es ist etwas Gutes"

Je mehr Verantwortung, also die Suche nach eigenen Antworten, man für sein Leben übernimmt, desto mehr Vertrauen hat man in das, was kommt. Mut wird dadurch etwas relativiert, denn man schöpft zu großen Teilen aus seiner Anbindung an die Erde und an den Himmel. Mut wird zu einem kleinen Werkzeug, den Startpunkt zu setzen und zu sagen: "Jetzt geht es los!". Da im Hintergrund das Vertrauen vor sich hin rauscht, bestimmt der Mut nur noch die Richtung und, wie gesagt, den Startpunkt, und muss nicht mehr die große Lücke, die mit Angst gefüllt ist, überwinden. Daher kann sich auch der Mensch entspannen. Zukunftsvisionen verlieren ihre Schreckensgestalt. Sollten sie doch Angst einflößen, wird derjenige sie als eine Einladung begreifen, den Ist-Zustand einer Überprüfung zu unterziehen. Sein neuer Glaubenssatz lautet demnach: Was auch immer passiert, es ist etwas Gutes. Und nein, das ist nicht naiv und schon gar nicht eine rosa-rote Brille, sondern eine gefestigte Sicht auf das große Ganze. Gut ist mit Gitter verwandt; das Gute fügt sich demnach ein, was das Schlechte oder das Böse (scheinbar) nicht tut. Der gereifte Mensch verpönt dann das Geschehen nicht mehr als schlecht, also als zu den anderen Dingen und Prozessen unpassend, sondern ergründet, wie es sich in das große Ganze einfügt. Er ist offen und lernbereit. Er ist sich sicher, dass das, was passiert, seine Richtigkeit und seine Berechtigung hat und dazu da ist, dass er weiterkommt.

Der transformierte Mut

"Ich lasse durch mich das geschehen, was geschehen muss." Eine Klientin von mir meinte, sie würde sich wie eine Art Marionette fühlen, die einfach das, was kommt, auf sich zukommen lässt bzw. ausführt. Dieser Zustand ist also meist flowig und stimmig und passiert von alleine. Manchmal bedarf es einer Überwindung. Mut im herkömmlichen Sinne ist es dann nicht mehr, denn man trifft keine Entscheidung mehr vom Ich / Ego her, sondern liest die Zeichen und handelt danach. So erweist man sich und anderen einen (Lern-)Dienst in welcher Gestalt auch immer. Das, was man dadurch gesät hat, erntet man mehr oder weniger direkt. Das ist aber ein Grundprinzip des Lebens. Durch den transformierten Mut verschmelzen Loslassen und Kontrolle. Die Spielregel lautet: Je mehr ich loslasse, desto mehr Einfluss habe ich auf mein Leben. Wer die Regel kennt und anwendet, wird seinen Mut also auf das Loslassen richten und auf die Impulse, die einige Zeit nach dem Loslassen zu keimen beginnen.

 

Fragen zum Nachforschen und Ergründen

  • Wann habe ich zum letzten Mal etwas Mutiges getan? Welche Konsequenzen hatte das?
  • Welche Rolle spielt Mut in meinem Leben? Übernehme ich selbst den aktiven Part oder stehe ich in der zweiten Reihe und bewundere andere für ihren Mut?
  • Welche alten Ängste, die nicht mehr angemessen sind, wecken mutige Handlungen in mir? Was gibt es da noch zu heilen?
  • "Was auch immer passiert, es ist etwas Gutes" – wie nah bin ich an diesem Glaubenssatz dran? Was steht (noch) im Wege?

 

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