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Alle meine Anteile: der innere Lehrmeister

 

Inhaltsverzeichnis

 

Ich glaube fest daran, dass jeder Mensch über eine Instanz verfügt, die ich den "inneren Lehrmeister" nenne. Bei jedem Prozess ist er im Raum präsent, manchmal zeigt er sich auch in verkörperter Form und verteilt die Aufgaben. Man kann sie freiwillig annehmen oder vom Leben dazu gezwungen werden.

Die Verbindung zum inneren Lehrmeister

Wenn jemand neu in den freiRaum kommt, erkläre ich ihm, dass ich fest daran glaube, dass der Entwicklungs- und Heilungsprozess in ihm bereits vorhanden ist. Es ist ein innerer Prozess, kein äußerer. Und so brauche ich keine Diagnose, keinen Behandlungsplan und keinen Eingriff von außen. Alle möglichen Maßnahmen sind bloß Unterstützung für diesen inneren Prozess. Mich selbst begreife ich als dem inneren Lehrmeister hörig. Ich stelle automatisch eine Verbindung zu dieser Instanz her und rufe den vorgesehenen Prozess Schritt für Schritt ab. Man Klienten kennen diese Instanz bereits und bezeichnen ihn z. B. als inneren Guru. Andere hatten noch keine Bekanntschaft oder sie ist von ihren teils schlechten Erfahrungen mit Lehrern psychisch überlagert.

Das Leben ist eine Schule

Den inneren Lehrmeister gibt es sowohl in jedem einzelnen von uns, also individuell, als auch für uns alle, also kollektiv. Das Leben ist wie eine Schule. Und jeder von uns geht in eine bestimmte Klasse und bekommt da bestimmte Aufgaben. Bewältigen wir die Aufgaben nicht, müssen wir nachsitzen, bis wir sie geschafft haben. Dabei ist es irrelevant, ob wir in die erste oder in die zehnte Klasse gehen. Das ist wie bei Kindern. Ein Zehntklässler ist nicht besser oder mehr wert als ein Erstklässler. Jeder befindet sich auf seinem Weg. Das ist wertfrei. Und auch als Gesellschaft und auch als Menschheit haben wir unsere kollektiven Aufgaben. Verlieren wir die Verbindung dazu, müssen wir auf die harte Tour lernen. Hier greift das Sprichwort: "Wer nicht lernt, muss fühlen". Und so kommen die meisten Menschen zum Coaching, zur Therapie oder zur Supervision, erst wenn sie ganz eindeutig "fühlen". Dabei scheint ihre Verbindung zu ihrem inneren Lehrmeister abgebrochen oder an manchen Stellen gestört oder unklar. War sie als Kind noch selbstverständlich und intuitiv, so erscheinen viele Geschehnisse im Leben, die Konflikte und die Symptome dem mittlerweile Erwachsenen als ein Fragezeichen: "Was hat bitte das mit mir zu tun?" Der innere Lehrmeister weiß darauf eine Antwort oder ist zumindest bereit, den Weg zu den Antworten zu weisen. Und so sind wir alle "Lebensschüler".

Der innere Lehrmeister verkörpert sich

Vor einigen Sitzungen lachen mich einige Gegenstände an. Diese lege ich mir bereit: Vielleicht werden sie zu irgendetwas gut sein. Zufälle gibt es eh nicht. So auch vor einer Sitzung mit einer Klientin: Ich griff zu 4 oder 5 Symbolkarten. Ich suchte sie zwar offen aus, erinnerte mich aber schon wenige Augenblicke später nicht mehr an ihren Inhalt. Intuitiv platzierte ich sie verdeckt im Raum. Als die Klientin ankam und die Karten bemerkte, wusste ich auch nicht zu berichten, was es mit ihnen auf sich hat. Der Prozess würde es zeigen (oder eben auch nicht). Im Laufe des Prozesses verkörperte sich der innere Lehrmeister der Klientin. Das heißt, er war als Repräsentanz im Raum anwesend. Ich war dabei, diese Position für die Klientin zu spiegeln. Intuitiv griff ich zu zwei Karten, die hinter mir auf der Kommode bereit lagen. Eine für die rechte, eine für die linke Hand. Sie blieben verdeckt. Und natürlich wurde die Klientin neugierig, was sie zu bedeuten haben. Der innere Lehrmeister gab ihr zu verstehen, dass das ihre anstehenden Lebensaufgaben sind, die sie zu bewältigen hat. Um sie zu bekommen bzw. zu entdecken gab es aber Voraussetzungen zu erfüllen: Der Versuch, die erste Karte dem inneren Lehrmeister aus der Hand zu nehmen, scheiterte nämlich, denn er gab sie nicht frei. Die erste Voraussetzung war aber schnell erfüllt und so begab sich die Klientin, nachdem sie die erste Karte bekommen hatte, in einen längeren Prozess, an dessen Ende sie die zweite Lernkarte nehmen konnte. Prompt schnappte sich der innere Lehrmeister eine neue Karte. Tja... Das ist ja wie früher in der Schule: Man sagt dem Lehrer, man sei mit der Aufgabe fertig und bekommt die nächste aufgebrummt. Dann bleibt man doch lieber etwas länger bei der einen oder etwa nicht? Die Klientin sah aber ein: Wenn da so schnell Aufgaben nachkommen, dann gibt es einen guten Grund dafür. Vielleicht stehen sie miteinander in Verbindung. Oder sie sind überfällig und stapeln sich bereits. Und so entschied sie sich, alle, die in dieser Sitzung auftauchten, anzunehmen und zu bearbeiten. Als sie damit fertig war, kam – teils überraschend, teils nicht – keine neue Aufgabe nach. Der innere Lehrmeister verkündete: Jetzt ist die Zeit des Verdauens und der Integration angesagt. Es kommt erst einmal keine neue Aufgabe nach. Das ergibt auch Sinn. Und für alle, die ungeduldig sind und besonders schnell vorankommen wollen (die Schreibende eingeschlossen), birgt es noch eine wichtige Botschaft: Man kann den Prozess nicht beschleunigen. Viel mehr verlangsamt man ihn durch seine Ungeduld. Es ist wie mit Tag und Nacht: Wenn man auf den Schlaf verzichtet, wird man nicht produktiver, ganz im Gegenteil!

Hat man einmal diese Erfahrung mit dem inneren Lehrmeister als verkörperter Repräsentanz gemacht, kann man immer wieder bei Bedarf Verbindung zu ihm aufbauen, auch außerhalb von Sitzungen. Dazu aber später mehr.

Alle Antworten zur richtigen Zeit

Wenn Klienten Schwierigkeiten haben, eine Entscheidung zu treffen oder eine Antwort auf eine Frage brauchen, biete ich ihnen an, sich wahlweise mit ihrer Intuition oder mit ihrem inneren Lehrmeister zu unterhalten. Diese Instanzen geben gern Auskunft über die inneren Prozesse. Was dabei spannend ist, dass man manchmal Antworten erhält und manchmal nicht. In einigen Fällen wird vom "Lebensschüler" in seinem Lernprozess verlangt, eine Entscheidung zu treffen, ohne zu wissen, welche Konsequenzen es geben wird und ohne eine Antwort auf eine Frage zu bekommen. Das ist absolut schlau vom inneren Lehrmeister, denn es ist sinnvoll, Entscheidungen im Hier und Jetzt zu treffen und sich vertrauen zu lernen. Wir alle neigen dazu Sicherheit in der Zukunft zu suchen und unsere Entscheidungen von dieser vermeintlich sicheren Zukunft abhängig machen zu wollen: "Wenn dieses passiert, entscheide ich so. Und wenn jenes passiert, dann so." Dieses Selbstbelügen (Man handelt so an sich selbst und der inneren Sicherheit und der eigenen Intuition vorbei, orientiert sich am vermeintlich sicheren Außen, das niemals sicher sein kann.) wird so einem vorgeführt und ausgehebelt. Der "Lebensschüler" wird so auf sich selbst zurückgeworfen und muss nach bestem Wissen und Gewissen eine Entscheidung treffen. Und er wird im Prozess dafür belohnt werden, was eine wunderbare Lektion für das ganze Leben darstellt! Und so erhält man selbstverständlich seine Antworten, nur eben immer zu seiner Zeit. 

Den inneren Lehrmeister bewusst einladen

Etwas Erfahrung vorausgesetzt und eine zumindest einmalige bewusste Erfahrung mit dem inneren Lehrmeister vorausgesetzt, lässt sich diese Instanz mit an den Tisch einladen. Er kann helfen, alleine oder als Paar sich einen Überblick darüber zu verschaffen, was eigentlich vor sich geht und welche Aufgaben anstehen. Als Paar kann man z. B. einen dritten Stuhl bei einem Konfliktgespräch dazustellen und den inneren Lehrmeister bitten, dort Platz zu nehmen. Einer der Partner oder abwechselnd beide können dann die Position einnehmen und die Informationen, die der innere Lehrmeister bereithält, übermitteln. Voraussetzung ist natürlich, wie weiter oben erwähnt, dass dieser Kanal bereits offen ist. Mein Mann und ich haben den inneren Lehrmeister, da er auch bei uns auf einem Stuhl auftauchte, "The Mighty Chair" getauft. Es ist wirklich eine machtvolle Instanz, die unglaublich weise und klar spricht und alles einzuordnen weiß, das auf eine immer sehr wohlwollende, zugewandte und niemals beschönigende oder dramatisierende Art und Weise. Wer als Paar für diese Erfahrung Begleitung braucht, kann dafür gerne in den freiRaum kommen. Aber bitte nur freiwillig! Solange ein Mensch den Sinn seines Lebens im Bewältigen von Lebensaufgaben nicht erkannt hat, darf ihn niemand zu diesen Einsichten zwingen, auch wenn sie viele Vorteile für ihn hätten.

Strenggenommen gibt es bei jedem Paar sogar drei verschiedene Lehrmeister. Jeder Partner hat einen eigenen und dann gibt es einen für den Paar-Lernprozess. Man kann sie aber alle drei auf einem Stuhl platzieren. Es wird schon immer der zu Wort kommen, der dran ist, und sein Wort entweder an einen der Partner richten oder an beide als Paar.

Freiwillig lernen oder gezwungen werden?

Auch Menschen mit viel Erfahrung im Lernen kapieren es häufig nicht beim ersten Mal. Symptome gehören einfach zum Leben dazu und es ist kein Zeichen von Versagen, dass man welche bekommt, selbst wenn man schon jahrelang an seinen Themen arbeitet, bereits viele Prozesse absolviert und zahlreiche Lernaufgaben bewältigt hat. Der innere Lehrmeister will nur unser Bestes, was an dieser Stelle keine billige Floskel aus der schwarzen Pädagogik ist.

Jeder von uns hat die Wahl, freiwillig zu lernen oder dazu gezwungen zu werden. Ein kleines Beispiel verdeutlicht das. Eine Lehrerin machte sich viele Sorgen, ob sie wirklich eine gute Lehrerin ist. Stark geprägt wurde dieses Gefühl von einer kränkenden Aussage eines Ausbilders. Im Laufe des Prozesses stellte sich heraus, dass gar nicht ihr Lehrersein so schlecht war, sondern ihr Schülersein. Sprich, sie war durchaus eine gute Lehrerin, aber in mancherlei Hinsicht eine lausige "Lebensschülerin". Die Ausbildung war schon etliche Jahre her und die Lektion von damals hatte sie immer noch nicht gelernt. Daher erschien der Ausbilder mit den kränkenden Worten immer wieder in ihrem Geist. Erst die Annahme dieser Lektion sorgte dafür, dass sich ihr Selbstwertgefühl als Lehrerin stabilisierte und sie sich auch zu ihrem Lehrersein bekannte. Natürlich kann man auch sein ganzes Leben lang mit so einer unabgeschlossenen Lektion leben. Aber ist das ein zufriedenstellendes und harmonisches Leben? Wohl nicht!

Der oben erwähnte Prozess zeigt aber auch, dass manche Menschen dazu berufen sind, den inneren Lehrmeister im Leben von anderen Menschen explizit zu verkörpern (Implizit tun wir das alle sowieso.). Natürlich sind sie dabei nicht perfekt und das ist auch gut so, denn so bereiten sich Lehrer und Schüler gegenseitig Aufgaben. Der beste Lehrer ist der, der auch ein guter Schüler ist. Und ungeschlagen ist der, der sich mit dem inneren Lehrmeister der ihm anvertrauten Schüler eine Verbindung aufbauen kann. Dafür braucht er aber eine verlässliche Verbindung zu seinem eigenen inneren Lehrmeister.

 

Fragen zum Nachforschen und Ergründen

  • Wie steht es um Ihre Verbindung zu Ihrem inneren Lehrmeister? Haben Sie ihn schon kennengelernt? Oder folgen Sie ihm gar? Oder kennen Sie sich nur indirekt durch die Sprache Ihrer Symptome, Konflikte, Unfälle, Verluste etc.?
  • Wie waren Ihre Erfahrungen mit Lehrern in Ihrem Leben? Welche waren gut? Welche herausfordernd? Welche haben Sie noch nicht verdaut? Welche Lektion wartet da noch auf Sie?
  • Und wie steht es um Ihre Verbindung zum kollektiven Lehrmeister der Menschheit? Wie bewältigen Sie die Aufgaben und Prüfungen der Corona-Krise?

 

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