Aus der Sinnkrise in den Freiraum – meine Erfahrungen in der Ausbildung
Inhaltsverzeichnis
- Der endgültige Auslöser: die Sinnkrise
- Mein erster Kontakt mit therapeutischen Inhalten
- Der Ausbildungsstart: die Gruppe, die Themen, der Rahmen
- Die ersten Seminare: Die vorsprachliche Welt öffnete sich
- Fortschritte auf allen Ebenen
- Das Besondere an Heikos Begleitung und weitere Highlights
- Alles easy?
- "Wo hast du das gelernt?"
- Der Übergang: von der Anstellung in die eigene Praxis
- Das letzte Seminar
Dieser Text unterscheidet sich etwas von meinen anderen Texten, die ich nach meinen eigenen Impulsen schreibe. Hier kam der Impuls von außen im Sinne eines Beitrag für eine Zeitschrift, den ich interessant fand, später aber doch für mich verwarf. Den Text gab es aber schon und vielleicht liefert er einigen Lesern wertvolle Informationen. Der Text stammt aus dem Juni 2020.
Der endgültige Auslöser: die Sinnkrise
Im November 2019 steckte ich in einer Sinnkrise. Der Auslöser war eine Situation bei meiner damaligen Arbeit, durch die mir endgültig klar wurde, dass ich bei der Arbeitsstelle nicht bleiben konnte. Es stellten sich viele Fragen: Wie geht es weiter? Wo finde ich eine passende Arbeitsstelle, die mich weiterführt? Wann wäre der richtige Zeitpunkt aufzuhören und etwas Neues anzufangen? Was sieht die Weiterentwicklung meiner Fähigkeiten aus? Was ist die Verbindung zwischen dem Alten und dem damals noch unbekannten Neuen? Abgesehen von diesen ganzen Fragen fühlte ich v. a. Existenzangst, denn es war klar, dass es so nicht weiterging. Gleichzeitig wusste ich nicht, wie es konkret weitergehen könnte. Ich konnte diese Angst einigermaßen gut aushalten und nur wenige Wochen später fiel mir ein Mensch ein, der mir auf meiner Suche helfen konnte. Bei Heiko Hinrichs war ich einige Jahre zuvor Teilnehmerin in einem Aufstellungsseminar. Ich informierte mich auf seiner Seite über den nächsten Termin für die Aufstellungen, fragte eine Freundin, ob sie mich dorthin begleiten würde, und erkundete auch seine Website. So bekam ich auch Informationen zu seinen Weiterbildungsangeboten. Als ich die Inhalte der Weiterbildungen las, machte es sofort Klick. Im Nachhinein wurde mir klar, dass ich jahrelang den Wunsch nach eigener therapeutischer Tätigkeit verdrängt hatte.
Mein erster Kontakt mit therapeutischen Inhalten
In Kontakt mit therapeutischen Inhalten kam ich 2014, ursprünglich, um mich als Lehrerin für Kommunikation für den Unterricht vorzubereiten. Ich verschlang Bücher, deren Autoren auch von eigenen Praxiserlebnissen berichteten. Ich stelle es mir schön und gleichzeitig absolut unrealistisch vor, eine eigene Praxis zu haben. Ein ferner Traum... An eine eigene Praxis dachte ich aber auch noch nicht, als ich im Januar 2019 die Weiterbildung bei Heiko Hinrichs begann. Die Gruppe war im zweiten Jahr und hatte den Grundkurs bereits absolviert. Glücklicherweise konnte ich genug Erfahrung vorweisen, so dass ich mit dem Aufbaukurs starten konnte.
Der Ausbildungsstart: die Gruppe, die Themen, der Rahmen
Es passte. Wir waren eine kleine, aber feine Truppe. Dass wir im Vergleich zu vielen anderen Fort- und Weiterbildungen nur eine Handvoll Leute waren, machte die Erfahrung besonders intensiv und den Austausch spürbar konkret. Für mich war es genau das Richtige. Eine Weiterbildung mit 30 oder 40 weiteren Menschen zu absolvieren konnte ich mir nicht vorstellen. Meistens waren wir zu fünft oder sechst, so dass nach einer Partnerarbeit auch ausführlicher Austausch im Plenum stattfinden konnte. Und beim Bearbeiten der eigenen Themen in Anlehnung an das jeweilige Seminarthema kam jede von uns dran, sofern sie das wollte. Die theoretischen Inhalte wurden online und in den Seminaren vermittelt, aber so, dass sie nicht überhandnahmen, zumal es auch weiterführende Empfehlungen gab. Das gefiel mir sehr gut, denn ich lese schnell und gerne. Außerdem suchte ich nach einer sehr praxisorientierten Weiterbildung. Ein weiterer Vorteil ist aus meiner Sicht, dass diese Weiterbildung aus 10 Seminaren zu verschiedenen Themen bestand. Von Geburt bis zum Tod war alles dabei.
Die ersten Seminare: Die vorsprachliche Welt öffnete sich
Am allerersten Seminarabend machten wir eine Partnerarbeit. Die Partnerin stellte ich als meine therapeutische Ausbildung auf und ich selbst stellte mich ihr gegenüber. Sie stand sicher und kraftvoll da. Diese kleine Arbeit bestätigte mich, dass ich auf dem richtigen Weg war. Das Thema des ersten Seminars war „Geburt“. Genau der richtige Einstieg für mich, denn bei meiner letzten therapeutischen Erfahrung einige Jahre zuvor wollte ich unbedingt an die vorsprachlichen Themen herankommen, zu dem Zeitpunkt war es aber noch nicht möglich gewesen entweder von meiner damaligen Begleitung oder von mir her oder auch von uns beiden. In diesem Seminar öffnete sich auf einmal der Zugang! Ich hatte schon immer gewusst, dass in meinem vorsprachlichen Erleben so einiges an Traumatischem steckte. Ich bekam es in meiner ersten Aufstellung zu der eigenen Geburt bestätigt. Dadurch, dass sich dieser Zugang öffnete, wurde es mir mit der Zeit möglich, meine anderen vorsprachlichen und vorgeburtlichen Themen zu bearbeiten. Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber: Mittlerweile fühle ich mich im vorsprachlichen Bereich zu Hause und begleite andere häufig und gerne in diese Welt. Ich habe mir durch die Weiterbildung einiges an Fertigkeiten angeeignet, die vorsprachlichen Inhalte und den Körperausdruck darzustellen und zu übersetzen. Meinen Klienten erkläre ich, dass der Körper eben kein Deutsch spricht. Eher Chinesisch. Aber diese Sprache lässt sich lernen. Und am Anfang helfe ich beim Übersetzen. Hilfreich dafür war auch gleich das zweite Seminar zum Thema „Somatik“. Generell waren die Themen und Inhalte breit gefächert. Es gab einige Themen, wie z. B. „Trauma“, mit denen ich mich bereits sehr gut auskannte. Andere, z. B. „Astrologische Aufstellungen“, waren komplettes Neuland.
Fortschritte auf allen Ebenen
In meinen eigenen Prozessen machte ich große Fortschritte. Im 6. Seminar ging es um politische und gesellschaftliche Aufstellungen. Zu dem Zeitpunkt beschäftigte mich das Thema „Tschernobyl“ sehr. Ich wollte es einfach nicht akzeptieren, dass Menschen so hohe Risiken eingehen und solche Katastrophen geschehen können und dass dadurch so ein extremer psychosozialer und ökologischer Schaden entsteht. In der Aufstellung ging es um meine persönliche Annäherung an eine Instanz, die ich als „universelles Wissen“ bezeichne, und um die Akzeptanz meinerseits, dass Menschen ihrer kreativen Natur gerecht werden und immer wieder mit dem Feuer spielen werden. Dabei wurde Tschernobyl zu einem Mahnmal.
Das Besondere an Heikos Begleitung und weitere Highlights
Heiko Hinrichs gelang es, die Begleitung von uns Teilnehmerinnen an unsere Entwicklung anzupassen. So wurden wir immer mehr vom Schüler zum Kollegen. Das tat mir persönlich sehr gut und bestärkte mich auf meinem Weg. Die meisten von uns fingen an eigene Erfahrungen als Therapeuten zu sammeln oder zu vertiefen. Heiko Hinrichs gab dafür Raum, im Rahmen der Seminare und auch im Rahmen von Supervision. Auch die kollegiale Arbeit – wir trafen uns jeden zweiten Monat, um zu lernen und zu üben – sorgte für einige Highlights. So arbeitete ich z. B. in einem Prozess mit meinem inneren Kind und meinem inneren Teenager an meiner eigenen Positionierung in erster Linien meinen Klienten gegenüber: Wie gestalte ich die Prozesse? Kleine oder große Schritte? Ist meine Art überfordernd oder genau richtig? Woran erkenne ich das? Wie vertraue ich da meinem eigenen Instinkt? In einem anderen Prozess näherte ich mich mit der Lerngruppe einem für mich schwierigen Thema: Rhythmus und Lebensrhythmus. Es ging um meine Bereitschaft bzw. meine Nicht-Bereitschaft, mich in Lebensrhythmen einzufügen. Am Ende der Arbeit schwangen alle Stellvertreter und ich im selben Rhythmus hin und her. Das war eine ganz besondere Erfahrung.
Alles easy?
Es hört sich vielleicht alles easy und locker an. Bei den meisten Themen war das auch tatsächlich der Fall. Bei einigen anderen brauchte ich mehrere Anläufe, verschiedene Ansätze und einfach Zeit und Geduld. So entdecke ich laufend neue Kräfte und Talente in mir, werde aber auch gleichzeitig vor neue Herausforderungen und Aufgaben gestellt.
"Wo hast du das gelernt?"
Ich merke, dass ich vieles in der Ausbildung gelernt habe. Es gibt aber auch einige Dinge, die ich einfach kann. Und ich weiß nur zum Teil, wie und wann ich sie gelernt haben soll. Da spielen sicherlich viele Faktoren zusammen. Das überrascht mich manchmal.
Der Übergang: von der Anstellung in die eigene Praxis
Mir der Zeit wurde mir klar, dass ich das alles in die Praxis umsetzen will. In meinem damaligen Beruf als Lehrerin in der Erwachsenenbildung – ich bildete angehende Erzieher aus – war es nur zum Teil möglich. Ich regte meine Schüler dazu an, Reflexionen zu schreiben und sich persönlich zu äußern, ob schriftlich oder mündlich. Sie sollten die Theorie lernen, erste Anwendungsversuche in der Praxis starten und gleichzeitig ihren Lebenshintergrund mitberücksichtigen. Viele meldeten zurück, dass diese Vorgehensweise sie sehr weiterbrachte. Mir war es aber nicht genug, da ich merkte, dass ich auf einem tiefergehenden Niveau arbeiten wollte, als es im Lehrerberuf möglich war.
Parallel zur Ausbildung büffelte ich also für den Heilpraktiker für Psychotherapie, kündigte zum Jahresende meine Anstellung und bestand die Überprüfung Ende 2019. Anfang 2020 – das dritte (für mich das zweite) Ausbildungsjahr begann – ging alles sehr schnell. Ich fand den perfekten Raum für meine Praxis freiRaum, unterschrieb den Mietvertrag, entwickelte meine Website und startete den Betrieb am 1. Mai. Die Weiterbildung war fast zu Ende. Mit dem Lockdown kam ein Cut; ein Seminar musste verschoben werden. Ich fing an mich mit anderen Themen zu beschäftigen und lernte viele neue Menschen kennen. Die Weiterbildung war gefühlt weit weg. Im Mai trafen wir uns zu einigen Online-Sessions. Im Juni fand dann doch ein Präsenzseminar statt. Dort merkte ich schon, dass ich mich von den Seminarinhalten, den Menschen und den Themen etwas entfernt habe. Das Seminar zum Thema „Abschied und Neubeginn“ hat mir persönlich sehr viel gebracht. In einem weiterführenden Prozess eine Woche später, begleitet durch eine Kollegin, nahm ich wieder intensiven Kontakt zum Tod auf, der mich schon ganz zu Beginn meines Lebens besucht hatte. Das hat mir noch einmal Sicherheit gegeben, dass er irgendwann endgültig kommt, wenn es so weit ist, und ich wieder die Geborgenheit des Nichts vollumfänglich erfahre. Und solange ich lebe, können wir zusammen durch das Leben gehen und ich kann seine Impulse (Das sind die Impulse und Ideen, die aus dem Nichts kommen und häufig in einen Flow münden.) gut für mich nutzen. Es fühlte sich freundschaftlich an.
Das letzte Seminar
Ende August 2020 fand das letzte inhaltliche Seminar statt. Es ging um Grenzen und Möglichkeiten der Aufstellungsarbeit, auch um die eigene Haltung. Mein Spannungsempfinden verstärkte sich. Gleich am ersten Abend merkte ich, dass ich nicht mehr im Seminarraum sein will, kann und darf. Am nächsten Morgen folgte die Aussprache mit der Gruppe – in Frieden, Liebe und Respekt. Wir haben uns wohlwollend und wertschätzend getrennt. Ich gehe weiter meinen Weg, die Ausbildung ist für mich abgeschlossen. Früher hätten meine alten Muster gewirkt. Und die dazu passenden Gedanken hatte ich auch: „Du hast es angefangen, also bring es zu Ende!“ „Was ist, wenn du doch dem Verband beitreten willst? Dann fehlt dir ein Seminar!“ Oder auch: „Was ist, wenn du etwas Wichtiges verpasst?“ Sicherlich habe ich dann auch etwas verpasst, was ich aber auch unter einer für mich wichtigen Erfahrung verbuche, dass ich nicht alles haben kann. Ich habe losgelassen und es wurden plötzlich weitere Energien frei, von denen ich nicht wusste, dass sie in der Ausbildung gebunden waren. Mehr Energie für die Klientenarbeit. Mehr Energie fürs Schreiben von Artikeln. Mehr Energie für die kollegiale Arbeit und für mein anderes Engagement. Ja, ich bin fertig. Und: Es geht weiter!
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